Todesgeil
können.
Doch so ein Glück hatte er nicht.
Die Frau in seinem Bett war keine geheimnisvolle Fremde. Sie war seine Ehefrau, seit 20 Jahren war er mit ihr verheiratet. Eine Frau, die er früher einmal wirklich begehrt hatte. Doch nun konnte er ihren Anblick kaum noch ertragen. Es war jetzt zehn Jahre her, dass er eine andere Frau gefickt hatte, und er hatte schon beinahe vergessen, wie es war, einen fremden, unvertrauten Körper zu liebkosen. Eine Zeit lang war das ganz okay gewesen. So lief es nun mal. Man wird älter und ruhiger und überlässt das Weiberaufreißen den jüngeren Burschen. Schon seit einer geraumen Weile hatte John dies als sein Schicksal akzeptiert, doch in letzter Zeit, genauer: Seit seinem 40. Geburtstag, hatte er begonnen, sich rastlos zu fühlen. Er konnte das nagende Gefühl nicht abschütteln, dass er ... nun, nicht seine Jugend verplemperte – offensichtlich nicht –, aber eher das kleine bisschen Zeit, das noch blieb. Zeit, in der noch etwas von seiner Potenz und seiner allmählich schwindenden Anziehungskraft auf das andere Geschlecht übrig waren. Nein, nicht seine Jugend, vielmehr den letzten schwindenden Widerhall davon, und er hatte nicht vor ...
Gott!
Wenn er darüber nachdachte, kotzte er sich selber an. Immerhin war er ein Mann . Und Männer ergingen sich nicht in Selbstmitleid. Ihm war genügend Selbstkritik verblieben, um zu wissen, dass er am Rande einer typischen Midlife-Crisis stand. Die meisten Männer in seiner Position hätten die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch genommen oder den neu entflammten Hunger nach fremdem Fleisch gestillt, indem sie in den Mund einer billigen Nutte abspritzten. Doch er brauchte etwas Besseres.
Eine dramatische Veränderung.
Eine dauerhafte Veränderung.
Und jetzt war die Zeit dafür endlich gekommen. Er trat näher an das Bett, seine Finger schlossen sich fester um die Klinge des Tranchiermessers, während er Karens Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen dafür absuchte, dass sie gleich aufwachen würde. Schon vor Stunden hatte er das Messer im Badezimmerschrank versteckt, während Karen so sehr in die allabendliche Folge von Survivor vertieft gewesen war, dass sie nichts mehr um sich herum wahrnahm. Auch nicht, dass er sich über 20 Minuten lang in der Toilette eingeschlossen hatte, um langsam vor den auf seinem Handy gespeicherten Fotos von Julie zu masturbieren. Die meisten dieser Bilder waren heimlich aufgenommen, wenn sie gerade nicht herschaute oder keine Ahnung hatte, dass er in der Nähe war. Das Bild, das ihn am meisten antörnte, war allerdings dasjenige, über das sie Bescheid wusste . Ein Schnappschuss, den er letzte Woche auf der Party zum zehnten Geburtstag seiner Tochter gemacht hatte. Er hatte irgendeinen lahmen Witz gerissen und sie hatte gelacht und ihm die Zunge herausgestreckt. Minutenlang starrte er auf das Foto, auf die feuchte Zunge, die sich zwischen den glänzenden, rosa geschminkten Lippen hervorschob. Dieses Bild trieb ihn in den Wahnsinn, es kam ihm so stark wie mit Karen schon lange nicht mehr.
Er ging ums Bett herum und dann stand er da und starrte auf seine Ehefrau hinab. Das Messer hielt er in Schulterhöhe, seine Hand zitterte. Sein Inneres brannte vor lauter Verlangen, der Schlafenden die Klinge in den Leib zu stoßen. An seiner rechten Hand trug er einen Latexhandschuh. Wenn sie tot war, wollte er ihn – nachdem er sich selbst ein paar oberflächliche Wunden zugefügt hatte – im Klo runterspülen. Anschließend würde er die Cops rufen und ihnen eine rührselige Geschichte von einem maskierten Einbrecher auftischen, die er sich zurechtgelegt hatte. Er war sich sicher, sie mit seiner geheuchelten Trauer so überzeugen zu können, dass sie ihm das Märchen abkaufen würden.
Nur wegen seiner Tochter machte er sich Gedanken. Nancy schlief in ihrem Zimmer am anderen Ende des Flurs. Das hieß, sie müsste schlafen. Sie sollte eigentlich längst im Bett sein. Dennoch musste er sie in seine Überlegungen einbeziehen. Die Cops würden sie befragen, wahrscheinlich danach, ob sie irgendetwas gehört hatte. John spielte ernsthaft mit dem Gedanken, erst seine Tochter umzubringen, ehe er sich um Karen kümmerte. Denn ein totes Mädchen konnte nichts erzählen. Andererseits würde er wahrscheinlich verräterische Blutspuren hinterlassen und womöglich noch weitere Beweise, wenn er zwischen ihrem Zimmer und dem Elternschlafzimmer hin und her latschte. Nein, er musste einfach auf sein Glück vertrauen. Die Chancen
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