Todesgeil
empfunden hatte – Scham.
Was er mit ihr vorgehabt hatte ... ja, es war einfach widerlich.
Unverzeihlich.
Das Mindeste, was er tun konnte, war, ihr noch einmal zu sagen, dass er sie liebte, ehe er starb. Und es wäre nicht völlig gelogen. Früher einmal, da hatte er sie wirklich geliebt. Aus ganzem Herzen, mit jeder Faser seines Wesens. Vielleicht war ja doch noch irgendetwas von diesem Gefühl in ihm übrig. Als er dies erkannte, schämte er sich nur noch mehr. Es brach ihm das Herz. Er wollte nur noch, dass es endlich vorbei war. Nichts konnte schlimmer sein als dieses Gefühl. Noch nicht einmal der Tod.
Dann hörte er es.
Sie hörten es alle .
Ein leises Geräusch, das aus dem Flur ins Schlafzimmer drang.
»Daddy?« Das zarte, zerbrechliche Stimmchen war tränenerstickt. »Was ist ... los?«
Der drahtige Kerl fing wieder an zu kichern. Der Druck der Klinge an Johns Hals ließ nach, als der Große von ihm herunterstieg und auf die offene Schlafzimmertür und die winzige Gestalt zuging, die vor dem dunklen Hintergrund kaum auszumachen war.
John blieb noch eine Weile am Leben.
Stunden vielleicht.
Und in diesem Zeitraum machte er die Erfahrung, dass es Dinge gab, die ohne Zweifel unendlich schlimmer waren als der Tod. Schlimmer auch, als seine Frau gefühlsmäßig und im Geist zu betrügen. Dinge, die seine Seele ausradierten. Als der Tod endlich kam, empfing er ihn wie die Umarmung einer lange vermissten Geliebten.
KAPITEL 6
22. März
Die Mädchen saßen an einem Picknicktisch auf dem Rastplatz und unterhielten sich, während sie ihren Freunden dabei zusahen, wie sie einen Football hin und her warfen. Zoe und Emily saßen nebeneinander auf der Tischkante, die Füße auf der Bank unter ihnen, während Annalisa es sich auf der Bank gegenüber bequem gemacht hatte und in ihr Handy plapperte.
Chuck holte weit aus und warf in Joes Richtung. Zitternd schraubte sich der Football hoch in die Luft. Joe rannte den sanft abfallenden Hügel hinab, den Kopf in den Nacken gelegt, um die Flugbahn am strahlend blauen Himmel zu verfolgen. Er schirmte seine Augen mit der Hand gegen das grelle Sonnenlicht ab und Zoe war klar, dass er das Ding aus den Augen verloren hatte.
Emily seufzte. »Scheiße. Joe, flieg’ hin, fall’ auf den Hintern.«
Joe verrenkte den Oberkörper und suchte erneut den Himmel ab, doch der Ball senkte sich bereits gut 20 Meter vor ihm zur Erde hinab. Er sah ihn in genau dem Moment, als er mit den Füßen hängen blieb und mit einem überraschten Aufschrei der Länge nach hinschlug.
Emily schüttelte den Kopf. »Dummer Junge. Arschloch. Das hat er davon, dass er sich so früh am Tag schon volllaufen lässt.«
Zoe lachte. »Dein Freund fällt hin und du nennst ihn ein Arschloch. Das muss ja wahre Liebe sein.«
Emily schnaubte. »Irgendwie liebe ich ihn schon. Glaube ich. Aber er ist ein Arschloch, vor allem, wenn er so viel trinkt.«
Zoe nahm einen Schluck aus einer frischen Dose Cola. »Jaaah. Aber ganz tief drin scheint er doch ganz in Ordnung zu sein. Zumindest, wenn er nüchtern ist.«
»Leider kann man das von Chuck nicht behaupten.«
Mit einem Mal wirkte Zoe angespannt. Ihre Finger schlossen sich fester um die vom Kondenswasser feuchte Dose und hinterließen leichte Dellen. »Emily ...«
Emily stupste sie mit dem Ellbogen. »Scheiße, komm’ wieder runter. Die können uns nicht hören. Wenigstens deiner besten Freundin kannst du doch die Wahrheit sagen. Du hast vor, mit diesem Arsch Schluss zu machen, stimmt’s?«
Zoes Griff um die Dose lockerte sich ein bisschen. Sie seufzte. »Ja.« Doch dann durchfuhr sie eine Woge der Angst und sie versteifte sich wieder. »Erzähl’ das bloß nicht Joe. Der würde es sofort vor Chuck ausplappern.«
»Ja, stimmt. Wenn ich ihm sage, er soll etwas bleiben lassen, dann macht er es doch, verdammt.« Sie lächelte und sah zu, wie Joe verlegen aufstand und sich den Staub von den Kleidern klopfte, ehe er davonhinkte, um den verschossenen Ball zu holen. »Aber ja, natürlich werde ich die Klappe halten. Obwohl ...« Sie blickte Zoe an, den Mund zu einem merkwürdigen Ausdruck verzogen, der beinahe wie ein lüsternes Grinsen wirkte. »Daraus könnten sich einige interessante Möglichkeiten ergeben.«
»Wie meinst du das?«
Emily beugte sich zu Zoe und flüsterte ihr ins Ohr: »Joe macht dauernd so Andeutungen, dass er gerne mal einen Dreier ausprobieren würde, mit mir und noch einem Mädchen.« Sie lachte. »Typisch Mann. Aber ich könnte mir
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