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Todesgeil

Todesgeil

Titel: Todesgeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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seiner Umarmung zu lösen, blickte zu ihm auf und blinzelte sich die Tränen aus den Augen. »Was sagt die Polizei dazu?«
    Chucks Gesichtsausdruck wurde eisig. »Die Polizei?«
    »Du hast doch die Cops gerufen?«
    Chuck schüttelte den Kopf. »Keine Cops!«
    »Willst du mich verarschen? Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
    Hinter ihr gab Annalisa ein Schnauben von sich. »Oh, doch, das ist sein Ernst. Die ganze letzte Stunde lang haben wir das wieder und wieder durchgekaut. Bis ich schließlich die Schnauze voll hatte und meinte, dann würde ich sie eben selber rufen. Und das wollte ich auch, aber Chuck hier hat mir damit gedroht, aus meinem BlackBerry Kleinholz zu machen. Und das muss nun wirklich nicht sein.«
    »Weshalb um alles in der Welt willst du denn nicht die Cops rufen? Die Kerle hätten dich umbringen können, Chuck!« Als Zoe dies sagte, fing sie schon wieder an zu zittern. Weil es nämlich stimmte. Chuck hätte ohne Weiteres sterben können, während sie sich die Seele aus dem Leib gevögelt und sich halb Kolumbien durch die Nase gezogen hatte. Der Gedanke machte ihr erneut die Abscheulichkeit des Ganzen klar und neue Tränen begannen zu fließen. »Oh, Chuck.«
    Er umfasste ihr Gesicht mit den Händen. »Hey, sieh mich an. Du hörst mir jetzt zu, okay? Mir geht es gut. Ich bin nicht tot. Gut, ich sehe schlimm aus, aber das geht vorbei. Sie haben mir die Kreditkarten und mein ganzes Bargeld abgenommen, aber die Karten habe ich schon sperren lassen und Dad überweist mir ein bisschen Geld.« Er lachte gezwungen. »Ganz schön altmodisch, was? Wir werden zu einer Filiale der Western Union pilgern müssen. Schon komisch, wenn man so darüber nachdenkt.«
    Die Falten auf Zoes Stirn wurden tiefer. »Nein, es ist kein bisschen komisch. Ich möchte, dass du die Polizei rufst, Chuck.«
    »Nein.«
    »Verdammt noch mal. Weshalb nicht?«
    »Ich versuche es dir zu erklären. Die Sache mit dem Geld ist geregelt. Außerdem haben wir verdammt noch mal Ferien. Und die lasse ich mir nicht einfach versauen. So, wie es aussieht, können wir es heute immer noch bis Myrtle Beach schaffen und einfach weiter Spaß haben. Wir lassen diese ganze Scheiße hinter uns und verbringen einfach tolle Ferien. Oder« – ein Grinsen spielte um seine Mundwinkel – »ich kann die Bullen rufen und das Ganze wird aufgebauscht bis zum Geht-nicht-mehr.« Er schüttelte den Kopf. »Scheiß’ drauf! Was mich angeht, von mir aus können wir gleich losfahren.« Er fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar. »Du siehst aber auch ganz schön mitgenommen aus. Geh duschen. Dann schnappen wir uns was zum Frühstück und hauen ab. Was sagst du dazu?«
    Zoe starrte ihn sekundenlang an, ohne ein Wort zu sagen. Es war klar, dass ein Teil von ihm tatsächlich glaubte, was er da sagte. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Er verschwendete sehr viel Mühe darauf, die ganze Sache zu vergessen. Das war merkwürdig. Immerhin war er tätlich angegriffen worden.
    Trotzdem ...
    Chuck war schon immer gut darin gewesen, den Leuten das aufzuschwatzen, was er wollte, ein Talent, das er von seinem erfolgreichen Vater geerbt hatte. Eigentlich war sie davon überzeugt, dass sie gegen seine Überredungskünste immun war, doch nun war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Einer ganzen Menge Dinge war sie sich nicht mehr sicher. Sie starrte auf seine Wunden und auf einmal tat er ihr furchtbar leid. Irgendein noch verbliebener Funke der Leidenschaft, die sie einst für ihn empfunden hatte, begann wieder aufzuflackern. Sie blickte in sein zerschundenes Gesicht und wollte ihm nur noch helfen, wieder gesund zu werden.
    Wieder heil zu werden.
    Sie seufzte und brachte ein Lächeln zustande. »Okay. Du hast gewonnen. Keine Cops.«
    Er grinste und zuckte vor Schmerz zusammen. »Super! Das wirst du nicht bereuen, Zoe, versprochen!«
    Er zog sie wieder in seine Arme und auch sie umarmte ihn, so fest sie konnte. Sie blickte über seine Schulter und sah im Badezimmerspiegel Annalisas Spiegelbild. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck äußersten Missfallens. Ungeachtet des Mitgefühls, das sie heute offenkundig für Chuck an den Tag legte, konnte sie ihn ebenso offenkundig nicht leiden. Es gehörte wohl mehr dazu, als lediglich von ein paar maskierten Fremden zusammengeschlagen zu werden, um dies zu ändern.
    Zoe legte den Kopf in den Nacken und blickte an die Decke.
    Doch da war auch nichts, was ihr weiterhalf.
    Zumindest nichts, was sie sehen konnte.

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