Todesgier - Thriller
fest saßen, kletterte sie auf den Fahrersitz, während der zweite Mann auf der Beifahrerseite einstieg.
Der Van setzte zurück und fuhr den Hügel hinunter. Letty folgte ihm auf der Parallelstraße zur Seventh ein Stück weit in Richtung Stadt.
Schon als kleines Mädchen hatte Letty gelernt, dass es am besten war, Beschlüsse sofort in die Tat umzusetzen, damit man nicht daran gehindert wurde oder zauderte. Das Autofahren hatte sie sich mit acht Jahren auf den Feldern hinter dem Haus selbst beigebracht, und obwohl die Cops ihr die Leviten lasen, wenn sie sie erwischten, hatte sie sich bereits mit elf den gesamten Bezirk mit dem Wagen erschlossen.
Ein alter Säufer lieh ihr damals hin und wieder seinen Truck, damit sie ihn spätnachts von der örtlichen Kneipe abholte, und wenn ihre Mutter betrunken war, leistete sie ihr die gleichen Dienste. In all den Jahren ihres Autofahrerdaseins hatte Letty keinen einzigen Unfall gehabt.
Als der Van in der Ferne verschwand, schaute sie zum Haus zurück. Wie schnell würden sie zurückkommen? Im Moment staute sich der Verkehr in der Stadt, nicht zuletzt wegen der Demonstranten …
Sie drehte um, strampelte wieder den Hügel hinauf und zu Whitcombs Haus, wo sie das Rad so drehte, dass es in Richtung Auffahrt wies.
Die Behindertenrampe endete an einer neueren Tür mit sechs kleinen Glasscheiben vor einer Abstellkammer neben der Küche, ähnlich wie in dem Farmhaus, in dem sie aufgewachsen war. Letty klopfte laut - keine Reaktion. Blickte sich um. Von der Straße aus konnte man sie sehen, ja, aber was soll’s, dachte sie, ich bin nur ein Mädchen auf der hinteren Veranda.
Letty wusste durch Lucas, Del, Shrake, Jenkins und die anderen Cops Bescheid über Einbrüche, und auch die Reporter und Produzenten von Channel Three hatten ihr so manches erzählt. Zum Beispiel, dass man sich ein lautes Geräusch oder zwei leise erlauben durfte …
Letty zog das Schnappmesser aus dem Hosenbund und sah sich hastig um, bevor sie damit die Scheibe neben dem Schloss einschlug. Als das Glas nach innen fiel, schlug sie ein zweites
Mal zu, um den letzten Rest zu entfernen. Dann griff sie hinein und öffnete die Tür.
Im Innern, wo es nach fauligem Gemüse, vollen Windeln und Rauch roch, war es still. Eigentlich handelte es sich nur um ein halbes Haus oder besser gesagt um eine Wohnung. Die Tür führte zur Veranda; einen Weg zur anderen Seite des Hauses gab es nicht.
Letty nahm ein Geschirrtuch von der Spüle, wischte damit den Türgriff ab und bewegte sich dann auf der Suche nach interessanten Dingen durch die Räume. Sie musste feststellen, dass es kaum etwas zu entdecken gab - eine durchgesessene alte Couch, zwei zerkratzte Tische, zwei Stühle, ein kaputtes Bett in einem Zimmer, das früher möglicherweise als Esszimmer gedient hatte, ein neuer Fernseher mit Kabelanschluss. Eine Treppe führte hinauf in einen leerstehenden Raum, in dem sich ehemals vielleicht das Schlafzimmer befunden hatte. Nur ein paar Snickers-Papierchen und drei oder vier Zigarettenstummel lagen auf dem Boden.
Whitcomb und die Frau besaßen jede Menge Klamotten, die meisten davon in einem türlosen Schrank, der Rest in einer Kommode mit Plastikverkleidung. Offenbar trug die Frau gern billige Modejeans, tief ausgeschnittene Blusen, schwarze BHs und String-Tangas. In der wackeligen Kommode lag eine Packung Kondome. Jetzt begriff Letty: Die Frau war eine Prostituierte.
Letty lauschte, hörte nichts, nahm aus den Augenwinkeln etwas Bernsteinfarbenes auf dem Fensterbrett wahr, inspizierte es und stellte fest, dass es sich um fünf leere Tablettenpackungen handelte. Die Namen der Medikamente sagten ihr nichts.
Das einzig Neue im gesamten Haus war der HD-Sony-Fernseher mit Spielkonsolen.
Dann entdeckte sie Randys Gerte.
Letty wusste, was er damit machte, weil sie einmal einen
Mann gekannt hatte, der seine Kinder mit einem ähnlichen Stock schlug, bis seine beiden älteren Söhne ihn eines Tages so verprügelten, dass er fast ein Jahr lang nicht mehr richtig gehen konnte.
Letty holte das Ding mit dem Geschirrtuch in der Hand hinter dem Sofa hervor und entdeckte Blutspuren daran. Er ist Zuhälter, sie Nutte, und er schlägt sie, dachte sie. Einen kurzen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, den Stock zu zerbrechen, legte ihn aber wieder zurück.
Nach einem letzten Blick ging sie zur Tür, schloss sie hinter sich, setzte sich aufs Fahrrad und fuhr in Richtung Stadt.
Stoff zum Nachdenken hatte sie nun
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