Todesgier - Thriller
junge Frau aufgetaucht wäre.
Doch sie musste da irgendwo sein.
Würde Letty sie eher finden, wenn sie die Straße entlangging oder wenn sie bei Whitcomb blieb? Da die Frau Whitcombs Chauffeurin zu sein schien, würde sie irgendwann kommen. Doch sobald sie im Wagen wären, hätte Letty keine Möglichkeit mehr, sie zu verfolgen. Das Beste war es wohl, sich die St. Peter Street vorzunehmen, zwischen dem Park und der Einkaufspassage.
Sie begann am Loop. Wie lange konnte so ein Treffen mit einem Mann dauern? Als Letty ein kleines Mädchen war, hatte ihre Mutter manchmal Typen mit nach Hause gebracht. Wenn sie nicht bei ihr übernachteten, blieben sie normalerweise bloß zwei Stunden … manchmal auch nur eine. Aber ihre Mutter hatte kein Geld dafür genommen, weswegen die Typen sich vielleicht verpflichtet fühlten, eine Weile zu bleiben und mit ihr zu reden oder was auch immer.
Bei Whitcombs Freundin war das anders …
Letty suchte die belebten Straßen ungefähr eine Stunde lang ab, bis sie sie entdeckte. Sie war etwa hundert Meter von ihr und keine dreißig Meter von der Ecke der Passage entfernt, an der Whitcomb mit dem Mann saß. Letty folgte ihr vorsichtig, weil Whitcomb nicht weit weg war. Kurze Zeit später sah sie, wie die junge Frau sich neben ihn setzte.
Sie blieb fünfzehn Minuten dort. Letty beobachtete sie aus ungefähr fünfzig oder sechzig Meter Entfernung aus. Sie hatte den Eindruck, dass die beiden sich stritten, das Mädchen vielleicht sogar weinte. Dann erhob sich die junge Frau schwerfällig und bewegte sich in Richtung Letty. Sie strahlte eine fast mit Händen zu greifende Niedergeschlagenheit aus.
Etwa zweihundert Meter weiter holte Letty sie ein und rief ihr nach: »Hey, du!«
Juliet wandte sich mit unsicherem Blick um. »Meinst du mich?«
»Ja.« Letty schenkte ihr ein Fernsehlächeln. »Du bist Randys Freundin. Wir haben neulich in einem McDonald’s kurz miteinander gesprochen. Ich hatte zwei Freunde dabei.«
»Oh … Ich hätte dich nicht wiedererkannt. Was machst du hier?«
»Ich berichte für ein Fernsehteam über junge Leute. Und du?«
Juliets Augen schienen in ihrem Gesicht zu verschwinden; offenbar überlegte sie, was Randy von diesem Gespräch halten würde.
Also versicherte Letty ihr hastig: »Ich erzähl Randy nichts von unserer Begegnung.«
Die Zunge der jungen Frau schoss zwischen ihren Lippen hervor. »Bitte.«
»Wie heißt du?«, fragte Letty.
»Ich sollte nicht mit dir reden. Willst du mit Randy sprechen? Der ist gleich hier um die Ecke.«
»Ich weiß«, sagte Letty. »Ich hab euch beobachtet. Randy ist ein brutaler Mistkerl, der dich mit einem Stock verprügelt. Stimmt doch, oder?«
Die junge Frau sah Letty stumm an, dann an ihr vorbei, um sich zu vergewissern, dass Randy nicht auftauchte, bevor sie sagte: »Tiara.«
»Wie bitte?«
»So heiße ich: Tiara.«
»Und wie wirklich?«, erkundigte sich Letty.
»Das ist mein richtiger Name …«, begann sie, doch als Letty den Kopf schüttelte, sagte sie: »Juliet Briar.«
»Freut mich, Juliet. Ich bin Letty. Kanntest du meinen Namen schon? Oder nur den von meinem Vater?«
»Du weißt Bescheid?«
»Klar. Schau dir Randy doch an. Der ist so oft verprügelt worden, dass er im Rollstuhl sitzt. Er ist nicht gerade eine Leuchte. Komm, ich spendier dir eine Cola.«
Juliet runzelte die Stirn. »Arbeitest du wirklich fürs Fernsehen? Du wirkst nicht so.« Sie blickte sich um. »Wo ist dein Team?«
»Unten am Mears Park. Moment.« Letty holte ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von Lois: »Seid ihr noch beim Park?«
»Nein, oben beim Kapitol. Hast du deine Nutte gefunden?«
»Ja. Könntet ihr runter zur Wabasha kommen? Ich bin Ecke Fifth/Wabasha. Sie glaubt mir nicht, dass ich fürs Fernsehen arbeite, und ich möchte sie gern überzeugen«, sagte Letty.
»Ich dachte, ihr seid Schulkameradinnen.«
»Wir stehen uns nicht sonderlich nahe«, erklärte Letty lächelnd. Puh.
»Die Polizei hat die Wabasha abgesperrt, aber wir könnten die Cedar runterfahren«, schlug Lois vor. »Wollen wir uns Ecke Cedar/Fifth treffen? In fünf Minuten?«
»Bis gleich«, sagte Letty und klappte das Handy zu. Dann, an Juliet gewandt: »Komm mit.«
»Wenn Randy das merkt …«
»Merkt er nicht«, beruhigte Letty sie. »Allein kann er sich nicht so schnell bewegen, und wir gehen in die entgegengesetzte Richtung. Nun mach schon, Mädchen, gönn dir ein bisschen Spaß.« Letty packte sie am Arm und dirigierte sie über
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