Todesglocken für John Sinclair
schneller. Zu sagen brauchte ich nichts. Er starrte in die Mündung der Waffe. Ich hatte mich breitbeinig hingestellt, war leicht in den Knien eingesackt und hielt den rechten Arm mit der Beretta weit ausgestreckt. »Rühr dich nicht!« fuhr ich ihn an.
Er hob die Arme und grinste scharf. »Schon gut, Bulle, schon gut!«
Beide blieben wir stehen. Ich schaute Killing Jo an, während er auf die Tote schielte.
»Du hast sie erledigt, was?«
»Ja.«
»Reut es dich nicht? Angeblich hast du ein großes Gewissen, wie man immer hört.«
»Sie war eine Bestie und wollte Blut.«
Es war eine der letzten Antworten, die er von mir im Fahrstuhl bekam, denn der Lastenaufzug hielt an. »Und jetzt warte«, flüsterte ich ihm zu.
»Das Gitter wird hochgehen, und du verläßt den Aufzug vor mir. Alles klar, Killing Jo?«
»Bin ja nicht taub.«
»Das hoffe ich auch für dich.«
Wieder vernahm ich das Rasseln, und abermals dauerte es mir viel zu lange, bis sich diese seltsame Tür in die Flöhe schob, aber sie klemmte nicht und glitt ratternd nach oben, so daß wir freie Bahn hatten. Ich gab Killing Jo mit der Waffe einen Wink. »Los, geh vor!«
Er nickte mir zu. Sein Gesicht war bleicher geworden. Ich sah die Gänsehaut und las auch die Wut in seinen Augen. Dieser Mann hatte noch nicht aufgegeben, das war mir klar, deshalb wollte ich jedem Risiko aus dem Weg gehen.
Ich schaute jetzt auf seinen Rücken. Ob er meine Schritte gehört hatte oder nicht, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls spannte er sich, und dann erwischte es ihn. Ich hatte auf seinen Nacken gezielt. Es war ein wohldosierter Schlag, der ihn zu Boden und auch in das Reich der Bewußtlosigkeit schickte. Mit einem letzten Schritt stolperte er nach vorn, so daß ich ihn nicht aus dem Fahrstuhl zu schaffen brauchte. Dafür packte ich die erledigte Vampirin. Sie war nicht zu Staub zerfallen, dafür stand sie einfach noch nicht lange genug unter dem Bann des Magic Man.
Ich ließ den Körper auf der Grenze zwischen Aufzug und Fabrikboden liegen. Jetzt blockierte er den Fahrstuhl, da konnten die anderen unten im Schacht drücken, wie sie wollten, das Ding kam erst einmal nicht nach unten. Fast wäre ich noch über Gwendolyn gestolpert. Zum Teil aus Schwäche, denn nach diesen harten Auseinandersetzungen stellte ich fest, daß auch ich das Nervenflattern bekam. Es begann mit weichen Knien, und mein Puls raste. Auf diese lange Auseinandersetzung war ich einfach nicht gefaßt gewesen.
Ziemlich angeschlagen, betrat ich die Fabrikhalle und ging dorthin, wo ich die beiden Aufpasser zurückgelassen hatte. Einer von ihnen war nicht mehr bewußtlos. Er starrte mich von unten her an, und sein Mund hatte sich verzogen. Auch las ich Staunen in seinen Augen und konnte mir gut vorstellen, weshalb er so guckte.
»Ja, ich lebe noch.«
Der Typ mit dem Irokesenschnitt zeigte sich nicht weiter beeindruckt. Er wünschte mich nur zum Teufel.
»Da war ich schon oft genug.« Während ich diesen Satz sagte, war ich in die Knie gegangen. »Ich will aber von dir wissen, ob der Magic Man hier vorbeigekommen ist.«
»Wer ist das denn?«
»Ich glaube, du solltest nicht lügen. Nicht in deiner Lage, mein Junge. Sei froh, daß du so davongekommen bist.«
»Wir gewinnen.«
»Mit dem Magic Man?«
»Klar.«
»Dann ist er also doch gekommen?«
»Sicher, er ging vorbei.«
»Und wohin?«
Der »Zombie« lachte kichernd. »Kannst du dir das nicht vorstellen? Hier gibt es doch nur ein Ziel. Die Disco. Dort wartet man auf ihn. Er hat viele Anhänger unter den Gästen.«
»Wen, zum Beispiel?«
»Sieh doch selbst nach, Hundesohn!«
Das wollte ich auch, drückte mich wieder hoch und sah noch, daß er mich anspucken wollte. Ich trat zur Seite, sein Speichel verfehlte mich, aber seine wild ausgestoßenen Flüche begleiteten mich. Den Weg in die Disco kannte ich. Ich war davon überzeugt, daß mich dort einiges erwartete und daß der Magic Man tatsächlich Anhänger besaß. Bestimmt war es ihm gelungen, sie zu mobilisieren, und wenn es eine Chance für mich gab, das große Chaos oder Grauen zu vermeiden, mußte ich ihn aus dem Kreis seiner Freunde hervorholen. Mit diesem Vorsatz betrat ich das Lokal!
***
Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert. Noch immer hörte ich die Musik und vernahm auch den Wirrwar der Stimmen. Trotzdem war es anders als bei meinem ersten Besuch. Zwar zuckte weiterhin das farbige Laserlicht durch den großen Raum, aber die Musik war eine andere geworden. Keine
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