Todesglocken für John Sinclair
Kollegen anrücke, weiß ich noch nicht. Du weißt ja, die Instanzen sind…«
»Alles klar. Wenn nicht, komm allein.«
Die letzten Worte hörte der Inspektor nicht mehr, er hatte bereits aufgelegt.
Ich stellte den Apparat wieder auf das Bord zurück und wollte mich auch in die Höhe drücken, als eine Tür an der Rückwand der Theke geöffnet wurde und der Typ im roten Samtanzug aus den hinteren Räumen erschien. Er schaute nach links, dann nach rechts — und entdeckte mich. Ob er etwas von meinem Telefongespräch mitbekommen hatte, wußte ich nicht, jedenfalls sprach er nicht darüber, aber sein Blick, mit dem er mich bedachte, sagte mehr als tausend Worte. Er hielt mich für einen Feind!
»Sie sind noch hier?« fragte er lauernd.
»Ja, wie Sie sehen.«
»Aber Sie sollen verschwinden.«
»Weshalb?«
»Weil ich es so will!« zischte er.
»Dann gehört Ihnen das Lokal hier?«
»Nein, aber ich bin der Geschäftsführer. Ich habe hier zu sagen, wenn Sie begreifen.«
»Das schon, mein Lieber. Aber ich verschwinde trotzdem nicht.« Dabei ging ich langsam auf ihn zu. Erst einen halben Schritt vor ihm blieb ich stehen. »Jetzt will ich von Ihnen wissen, was hier gespielt wird, zum Henker? Was soll die Trommelei?«
Der Kerl grinste schief. »Ich habe hier eine Talentprobe eingeführt. Jeder, der sich auf musikalischem Gebiet etwas zutraut, kann mitmachen.«
»Auch der Magic Man?«
Als ich den Namen erwähnte, zuckte er zusammen. »Was soll diese Frage, Mister?«
»Wo steckt er?«
»Ich weiß nicht…«
Verdammt, ich war die Ausflüchte leid. Mein rechter Arm schnellte vor. Im nächsten Moment drehte ich die Revers des Knaben so hart zusammen, daß der schöne Samtanzug in seiner oberen Hälfte ziemlich zerknittert wurde. »Reden Sie!«
Er lief rot an und schnappte nach Luft. »Sie werden hier…«
Er sprach nicht weiter, ich auch nicht, denn ein schon mir bekanntes Geräusch unterbrach uns. Es war das Läuten der Todesglocke!
***
Für einen Moment stand ich regungslos und behielt den Kerl noch im Griff. Er hatte den Kopf nach rechts gedreht, wobei er über die Theke hinwegschielte und dorthin schaute, wo sich die Masse der Gäste versammelt hatte.
Sie alle vernahmen das dumpfe Geläut der Totenglocke, und sie alle schienen Bescheid zu wissen.
Auch der Trommler hatte seine Musik unterbrochen, nur der unheimliche Glockenklang schwang durch das große Lokal und hallte als Echo nach. Niemand sprach. Alle lauschten dem Geläut, denn sie wußten, welche Botschaft es brachte.
Ich konnte es mir ebenfalls denken, fragte trotzdem noch einmal nach, weil ich sichergehen wollte. »Für wen ist das Läuten bestimmt?« fuhr ich den Geschäftsführer an. »Für wen?«
Er begann schrill zu kichern. »Es wird die Weihe sein. Eine Hexenweihe, Mister. Ja, Sie erleben eine Hexenweihe. Wir haben hier Hexen und Zombies, wir…«
»Zombies nicht mehr«, unterbrach ich ihn. »Ich habe sie außer Gefecht gesetzt.«
Er schaute mich starr an. Ich ließ ihn los, weil in die Reihen der Gäste Bewegung gekommen war und alle zur Mitte der Tanzfläche drängten. Aufhalten konnte mich keiner. Rasch hatte ich den Platz hinter der Bartheke verlassen und kümmerte mich um die Vorgänge, die ich mit Schwarzer Magie umschreiben mußte.
Der Ring aus Menschen war sehr dicht. Noch immer läutete die Glocke, die Jugendlichen begannen zu klatschen, und ich bahnte mir meinen Weg, bis ich den Rand der großen Tanzfläche erreicht hatte. Dort hatte sich einiges verändert.
Nicht der Trommler hockte mehr auf der Fläche. Es waren einige Kellnerinnen, die sich abgewechselt hatten, und sie waren wahrscheinlich die Personen, von denen Gwendolyn bei unserem ersten Kennenlernen gesprochen hatte. Die »Hexen« also!
Sie hatten einen Kreis gebildet. Ihre Masken klebten auf den Gesichtern, die Hände waren ineinander verschlungen, und die Hexen begannen damit, einen wilden Tanz auf das Parkett zu legen. Dabei schrien sie. Ihre Stimmen hatten einen dumpfen Unterton bekommen, wegen der Masken.
Und noch immer läutete die Glocke.
Bisher hatte ich sie nicht gesehen. Auch die übrigen Zuschauer nicht, sie aber richteten ihre Blicke gegen die Decke der Disco, denn der Klang kam von oben.
Auch ich schaute hoch.
Tatsächlich, die Glocke wurde mit einemmal sichtbar. Zum Greifen nahe, aber dennoch sehr fern, denn sie entstand dort, wo sich zwei Dimensionen überlappten. An der Schnittstelle bildete sich die Glocke, die riesig sein mußte, in ihrer
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