Todesglocken für John Sinclair
Pop-Rhythmen mehr, sondern harte Klänge. Dumpf, unheimlich klingend, als würde jemand auf eine große Trommel schlagen.
Ich jedenfalls stand momentan noch zu ungünstig, um etwas erkennen zu können. Wie ein Schatten erschien ich aus der Nische und sah vor mir die Rücken zahlreicher Gäste. Sie standen wie eine Mauer. Manche hatten auf den Stühlen ihren Platz gefunden, andere standen auf den Zehenspitzen.
Sie alle hatten eines gemeinsam. Die Gäste reckten die Köpfe, um zu irgendeinem Punkt schauen zu können, der für alle sehr interessant war. Ich konnte nicht erkennen, was es war. Da ich zudem keinen freien Stuhl entdeckte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich an den Leuten vorbeizuschieben und herauszubekommen, wo sich dieses große Ereignis abspielte.
Vielleicht auf der Tanzfläche. Dort jedenfalls befand sich der meiste Platz.
Es war nicht so einfach, sich einen Weg zu bahnen. Einige Male wurde ich angemeckert, und einer wollte mich sogar zurückhalten. Bevor er zufassen konnte, drückte ich seinen Arm zur Seite und hatte ihn passiert. Einige Tische mußte ich auch noch zur Seite schieben, um an die Stelle zu gelangen, von der aus ich einen guten Überblick hatte. Endlich konnte ich die Fläche sehen, wo sich das große Ereignis abspielte. Dort saß tatsächlich jemand und trommelte.
Es war ein dunkelhäutiger junger Mann in weißer Lederkleidung. Er hatte sich sein Gesicht mit roter Farbe beschmiert, so daß er aussah, als wäre er in einen Topf mit Blut gefallen. Seine weißen Zahnreihen glänzten. In einem bestimmten Rhythmus bewegte er die Arme, und die beiden Trommelstöcke hämmerten auf das straff gespannte Fell. Den jungen Mann hatte ich noch nie gesehen, und ich suchte auch vergeblich nach der unheimlichen Gestalt aus dem U-Bahn-Schacht, obwohl ich davon überzeugt war, daß sie sich irgendwo in der Nähe aufhalten mußte. Ich warf einen raschen Blick in die Runde. Mich interessierten besonders die Gesichter der Gäste. Sie alle zeigten einen angespannten Ausdruck, in dem auch eine gewisse Erwartung zu lesen war. Die Lippen hielten sie fest zusammengepreßt, viele Hände waren zu Fäusten geballt, und manche Gäste bewegten ihre Füße im Takt des Trommelklangs. Mir kam plötzlich eine Idee.
Lange dachte ich darüber nicht nach. Die Gäste waren abgelenkt, die Kellnerinnen ebenfalls, denn alle Anwesenden konzentrierten sich auf den Trommler und schauten ihm zu.
Auf mich, den Neuling, achtete niemand. So günstig würde die Gelegenheit nicht mehr werden, deshalb zog ich mich in Richtung Bartheke zurück, denn dort hatte ich auch mehrere Telefone gesehen, die sicherlich Außenanschlüsse besaßen.
Bisher hatte ich allein gekämpft und viel Glück gehabt, das gab ich ehrlich zu.
Nun aber brauchte ich Hilfe. Es war leicht vorstellbar, daß die Gäste unter den Bann dieses Magic Man geraten würden. Was sie dann taten, das entzog sich sogar meiner Spekulation. Es konnte allerdings sehr schlimm enden.
Geduckt zog ich mich zurück und schob mich wieder an den Zuschauern vorbei. Die waren voll beschäftigt. Mir gönnten sie keinen Blick, und darüber freute ich mich.
Unangefochten erreichte ich die Theke. Auf ihr standen noch gefüllte Gläser oder Flaschen. Eine Bedienung lehnte, mit den Ellbogen aufgestützt, etwa in der Thekenmitte. Obwohl ich mich nur wenige Schritte von der Kleinen entfernt befand, hatte sie für mich keinen Blick übrig.
Ich mußte hinter den Wall. Der Durchbruch befand sich in meiner unmittelbaren Nähe. Ich brauchte nur eine Klappe in die Höhe drücken. Das tat ich nicht, sondem kroch darunter hinweg, so daß ich mich endlich an meinem Ziel befand.
Und hier sah ich auch die Telefone.
Anscheinend liebte man es hier bunt, denn die Apparate besaßen verschiedene Farben.
Ich suchte mir einen grünen aus und wählte zunächst Sukos Nummer. Zum Glück hob mein chinesischer Freund und Kollege schnell ab. »Du, John?« fragte er.
»Ja, ich.«
»Was ist los?«
»Einiges. Hör genau zu, Alter!« Ich erklärte ihm mit wenigen Sätzen, was mir widerfahren war und wo ich mich befand. Wenn Suko erstaunt war, so zeigte er es nicht und konzentrierte sich auf das Wesentliche.
»Was soll ich tun?«
»Komm so schnell wie möglich her und alarmiere die Bereitschaftspolizei, damit sie einen Ring um dieses Lokal zieht.«
»Ist es so schlimm?«
»Das kann es werden.«
»Mist, und das bei dem Wetter.«
»Nimm deine Harley.«
»Okay, John, ich versuche es. Ob ich mit den
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