Todesglocken für John Sinclair
Straße konzentrieren und hatte keinen Sinn für das, was hinter ihm vorging.
Als der Zombie wieder in die Höhe kam, schlug Suko erneut zu. Und wieder war es einfach, die Gestalt zu treffen. Er konnte sie auf dem engen Raum überhaupt nicht verfehlen, so daß die Riemen drei Querstreifen in die Haut des Gesichts rissen.
Der Untote fiel nickend nach vorn. Er brach danach zusammen wie eine Marionette, der jemand die haltenden Fäden durchschnitten hatte. Die endgültig vernichtete Leiche faltete sich förmlich in den Sarg hinein. Suko war froh. Obwohl die Kälte auch auf die Ladefläche gekrochen war, hatte ihn der Kampf mit den beiden lebenden Toten mitgenommen. Er war ins Schwitzen gekommen.
Und seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bestätigt. Sollte es der Totenglocke tatsächlich gelingen, Leichen zum Leben zu erwecken, konnten auch die Friedhöfe die Toten nicht mehr halten, und über London würde eine Apokalypse ausbrechen. Eine Invasion von Zombies. Schreckliche Bilder der Zerstörung, des Grauens. Die Menschen würden flüchten müssen, und warnende Filme über dieses Thema konnten sich in all ihrer Grausamkeit bewahrheiten. Das mußte verhindert werden.
Suko hätte sich ein Walkie-talkie gewünscht, um mit John Kontakt aufzunehmen. Sein Partner mußte einfach von diesem Schrecken erfahren, falls er bisher noch nicht Besscheid wußte. Die Umgebung draußen veränderte sich. Suko sah es am Lichtschein. Auf der übrigen Strecke war er von der Dunkelheit umgeben worden. Es wurde jetzt heller. Es war kein normales Licht, sondern ein zuckendes, tanzendes, und der Inspektor warf noch einen Blick durch den normalen Glasspalt, der zum Glück nicht zugefroren war.
Sein Verdacht bestätigte sich.
Es war tatsächlich kein normaler Schein, der sich ausgebreitet hatte, sondern das Licht tanzender Fackelfeuer. Die Stäbe wurden von den Gestalten gehalten, die Suko bereits vor der Disco gesehen hatte, als sie auf ihren Feuerstühlen saßen.
Die Typen, die sich Zombies nannten, standen dort wie festgefrorene Wächter, und auch der Klang der Glocke hatte sich um einiges gesteigert. Er war sehr laut geworden.
Für Suko gab es keinen Zweifel, daß er somit das Ziel erreicht hatte. Die Fahrt im Leichenwagen war nicht umsonst gewesen.
Das Auto hielt.
Es rutschte noch ein Stück, bis es endlich zum Stillstand kam, und Suko kroch wieder unter die Decke. Er wollte so spät wie möglich entdeckt werden.
Vorerst mußte er abwarten. Er tat dies mit klopfendem Herzen. Schritte vernahm er nicht, auch die Stimmen konnte er nicht verstehen, weil das dumpfe Glockengeläut alles übertönte. In den nächsten Minuten würde es sich entscheiden.
Suko hatte sich fest vorgenommen, es allein zu versuchen, auch ohne die Hilfe seines Freundes John Sinclair.
Sehr bald schon vernahm er das typische Geräusch, das entstand, als die Heckklappe geöffnet wurde.
Nun kam es darauf an. Würde der Sargmacher sofort entdecken, daß etwas nicht stimmte?
Fackelschein erfüllte das Innere der Ladefläche. Zwei Zombies leuchteten in den Wagen, und Suko machte sich vorsichtshalber noch ein wenig kleiner.
»Es sind die beiden Toten!« hörte er wieder die laute Stimme des Leichenbestatters. »Sie müssen das Läuten vernommen haben und sind bestimmt wiedererweckt worden.«
»Wir werden sehen. Los, holt die Särge raus!« Es war eine befehlsgewohnte Stimme, die der Inspektor vernahm. Killing Jo hatte gesprochen, und zwei seiner Bandenmitglieder hielten sich an den Befehl.
»Wenn das stimmt«, sagte einer, »dann lernen wir bald echte Zombies kennen.«
»Ja, kann sein.«
Die Särge verschwanden. Bisher hatte noch niemand einen Blick auf die Decke verschwendet, und der Kelch schien vorerst an dem gekrümmt liegenden Chinesen vorüberzugehen.
»Fertig!«
»Wartet!« Der Sargmacher schäumte vor Nervosität fast über. Er wollte unbedingt nachschauen, ob das Geläut bei seinen Leichen den gewünschten Erfolg gezeigt hatte.
Suko riskierte ein wenig mehr und lüftete die Decke. So schaute er unter dem entstandenen Spalt hinweg und erkannte die Menschen an der Ladeklappe.
Auch den Sargmacher sah er. Der Mann trug eine dicke Jacke. Den Kragen hatte er hochgestellt, so daß sein magerer Hals wie ein dünner Pfahl in die Höhe ragte. Von dem Gesicht erkannte Suko nichts, weil sich der andere bückte.
Jetzt mußte er die Leichen sehen.
Und er schrie.
»Neeinnn…!« Dieser gellende Ruf übertönte sogar das Läuten der Todesglocke.
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