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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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beginne mit dem dritten Akt, und dort steht ein Satz, den ich auch in einem Nachruf auf eine junge, kürzlich verstorbene Schülerin gelesen habe:
    Erkenntnis und Unschuld sind unvereinbar.

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24
    Montag
    I ngibjörg Sigurlína Aðalgeirsdóttir.
    Gestern Abend habe ich den vollen Namen der Hauptdarstellerin aufgeschrieben, die von der Bühne verschwunden ist, genau wie die Statistin Sólrún Bjarkadóttir. Auf einer anderen Bühne, wo sich die beiden jetzt befinden, sind alle Schauspieler gleich, es gibt keine Haupt- und keine Nebenrollen.
    Ich durchsuche die letzten sechs Jahre im Internetarchiv des
Morgenboten
nach dem Namen. Es gibt drei Nachrufe auf Ingibjörg Sigurlína, und sie wird in einer positiven Kritik des Films
Ritter der Straße
von Friðbert Sumarliðason erwähnt. »Die jungen, unerfahrenen Hauptdarsteller Skarphéðinn Valgarðsson und Ingibjörg Sigurlína Aðalgeirsdóttir verkörpern ihre Rollen glaubhaft und machen ihre mangelnde Schauspielerfahrung durch große Spielfreude wett«, heißt es darin. »Es handelt sich zweifelsohne um zwei große Talente.«
    Ein knappes Jahr nachdem diese Worte geschrieben wurden, war Inga Lína tot. Die Nachrufe sind klassisch und beschreiben ein fröhliches, nettes Mädchen, das talentiert war und eine leuchtende Zukunft vor sich hatte. »Aber Glück und Leichtigkeit sind nicht immer im Einklang«, schreibt einer der Verfasser: »Inga Lína ist ausgerutscht auf dem für Jung und Alt gleichermaßen glatten Eis der Realität …«
    Die Namen unter den Nachrufen, offenbar ihre Eltern, sind mir unbekannt. Inga Lína scheint Einzelkind gewesen zu sein. Ich suche den Namen ihres Vaters im Telefonbuch. Er ist Malermeister und mit einer Festnetz- und einer Mobilnummer verzeichnet.
    »Malerbetrieb Aðalgeir«, ist die Antwort am Handy. Stimmengewirr und Lärm im Hintergrund.
    Ich stelle mich vor und erkläre, dass ich wegen seiner Tochter anrufe.
    Es ist nicht zu überhören, dass er irritiert ist. »Inga Lína? Warum denn das? Das Mädchen ist vor sechs Jahren gestorben!«
    »Ich weiß«, sage ich, »aber jetzt sind zwei Jugendliche, die zusammen mit ihr in
Ritter der Straße
gespielt haben, auch tot.«
    Er ist an einen ruhigeren Ort gegangen, die Hintergrundgeräusche sind leiser geworden. »Zwei? Ich hab nur von diesem Skarphéðinn gelesen. Wer ist denn der zweite?«
    »Die zweite. Ein junges Mädchen, das eine kleine Nebenrolle hatte. Sólrún Bjarkadóttir.«
    Er schweigt. »Sólrún Bjarkadóttir?«, spricht er mir nach. »Die kenne ich nicht …«
    Ich warte.
    »Es sei denn, dass das Mädchen so hieß, das …«
    Er verstummt wieder.
    »Das Mädchen, das …?«
    »Das auch so verliebt in diesen Jungen war, Skarphéðinn. Inga Lína und sie sind wohl wegen ihm aneinandergeraten.«
    »Waren deine Tochter und Skarphéðinn ein Paar?«
    »Ein Paar? Das ist ein sehr hochgestochenes Wort für Kinder, die ihre ersten Schritte in der Liebe machen. Jedenfalls ist klar, dass unsere Tochter mit dieser Erfahrung überhaupt nicht umgehen konnte.«
    »Meinst du den ganzen Rummel im Zuge des Kinofilms?«
    »Das war das eine. Die ganze Aufmerksamkeit. Und dann hatte sie Liebeskummer wegen dieses Jungen, als die Gruppe wieder auseinanderging. Sie war unglaublich sensibel und hat nicht verstanden, dass das Leben weitergeht, auch wenn eine bestimmte Zeitspanne und Erfahrung zu Ende ist. Aber …«
    Ich warte.
    »Aber am schlimmsten war, dass die Kinder mit Drogen experimentiert haben. Das war bei Inga Lína ausschlaggebend. Danach schien es kein Zurück mehr zu geben. Aber sie wollte sich ihrer Mutter und mir nie ganz anvertrauen. Sie war so verschlossen.«
    »Jugendliche sind ihren Eltern gegenüber oft verschlossen. Möchten ihre Geheimnisse und ihr Privatleben haben. Ist das nicht ein Schritt auf dem Weg zur Selbständigkeit? Ein Teil des Erwachsenwerdens?«
    »Ja. Das weiß ich noch aus meiner eigenen Pubertät. Aber wenn man selbst Vater wird und sich in seine neue Rolle einfinden muss, vergisst man diese Jahre. Das Verständnis und die Erinnerung an die eigenen Gefühlsschwankungen verschwinden einfach.«
    »War Inga Lína depressiv?«
    »Sie ist nie depressiv gewesen. Aber durch die Drogen ist sie mit den falschen Leuten in Kontakt gekommen und war am Ende vollkommen verzweifelt. Sie hat versucht aufzuhören. War mehrmals in Entzugskliniken für Jugendliche, ist aber immer nach kurzer Zeit wieder abgehauen. Ihre Mutter und ich haben alles versucht …«
    Es fällt

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