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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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von der Veranlagung und der Umwelt ab: Entweder lehnt das Kind die ihm vorgeführte Realität ab, oder es identifiziert sich mit ihr. Die meisten Isländer haben eine kulturell und erzieherisch begründete Abneigung, einen Menschen zu töten. Hierzulande gibt es keine militärische Tradition oder Waffenverherrlichung, die in vielen anderen Ländern in unterschiedlichem Maße besteht und die innere Abneigung systematisch untergräbt oder zerstört. Aber auch in jenen Ländern verliert nur eine Minderheit, eine sehr kleine Minderheit, diese Abneigung. Meist sind es Kinder, die von ihren Eltern keine Fürsorge, Geborgenheit, Erziehung und Liebe bekommen. Eine noch kleinere Minderheit, weniger als ein Prozent, trifft eine bewusste Entscheidung, sich durchzusetzen, ohne Rücksicht auf Umwelt, Familie oder Gesellschaft, und handelt ausschließlich nach eigenem Willen. Eltern oder andere Personen aus dem näheren Umfeld haben keinen Einfluss darauf; es geht nur um die eigene, freie Überzeugung.
    Der Text steht in keinem Zusammenhang und hat keine Fortsetzung. Er besteht lediglich aus diesen Überlegungen, die Teil eines Zeitungsartikels sein könnten, wie die stilistisch ähnlichen Beiträge Skarphéðinns, die ich im Archiv des
Morgenboten
gefunden habe.
    Ich stoße die Maus an, die auf dem Schreibtisch neben dem Computer liegt. Der Bildschirm leuchtet auf. Folgende Worte erscheinen:
    DIE CHRISTIANISIERUNG ISLANDS
    Aufsatz von Rúnar Valgarðsson
    Darunter sind die Klasse und der Name des Lehrers genannt. Es ist Kjartan Arnarson. Darauf folgt ein Text in einem ganz anderen Stil; ich lese ihn nicht zu Ende.
    Im CD -Regal steht eine kunterbunte Mischung älterer und neuer Musik. Die Schallplatten sind klassische Rockplatten aus den sechziger und siebziger Jahren.
    Instinktiv betätige ich die Play-Taste des CD -Players und drehe rasch die Lautstärke runter. Ich erkenne den Song schon an den ersten Takten:
    Please allow me to introduce myself,
    I’m a man of wealth and taste,
    singt Mick Jagger mit einschmeichelnder Stimme.
    I’ve been around for a long, long year,
    Stole many a man’s soul and faith.
     
    And I was ’round when Jesus Christ
    Had his moment of doubt and pain.
    Made damn sure that Pilate
    Washed his hands and sealed his fate.
    Ich lasse meinen Blick über die Bücher schweifen. Eine ebenso kunterbunte Mischung wie die Musik. Alte isländische und internationale Klassiker. Jón Trausti, Þorgils gjallandi, Grímur Thomsen, Jónas Hallgrímsson, Jóhann Sigurjónsson, Halldór Laxness. Ich entdecke ein paar Bücher über Hexerei und Hexenverfolgung, verschiedene Fachbücher über Witchcraft, unter anderem von dem englischen Exzentriker Aleister Crowley, über den ich schon einmal etwas gelesen habe, und den
Hexenhammer
von Heinrich Kramer.
    Pleased to meet you,
    Hope you guess my name.
    But what’s puzzling you
    Is the nature of the game …
    Ich konnte noch nie viel mit
Sympathy For The Devil
von den Rolling Stones anfangen – bis jetzt.
    Ich habe keinen blassen Schimmer, ob die CD schon im CD -Player lag, als Skarphéðinn Valgarðsson das letzte Mal die Play-Taste betätigte, oder ob sein Bruder sie ausgesucht hat. Irgendwie passt der Song zu meiner Gemütslage und der Umgebung. »The nature of the game« ist genau das, worüber ich mir den Kopf zerbreche. Ja, worum zum Teufel geht es hier eigentlich?
     
    »Guter Song,
Sympathy For the Devil
«, sage ich, als ich Rúnar, der gerade eine Cola aus dem Kühlschrank holt, am Küchentisch gegenüberstehe.
    »Sympathy was?«, fragt er.
    »Ach, ich hab aus Versehen auf die Play-Taste an der Anlage gedrückt. Da kam dieser alte Song von den Stones.«
    Er zuckt die Achseln. »Hat Skarpi gehört.«
    Mein Blick fällt auf ein Handy in einer rotbraunen, gemusterten Hülle in der halboffenen Schublade. Das habe ich schon einmal gesehen. Oder ein ähnliches.
    »Möchtest du?«, fragt er, hebt die Colaflasche und schließt die Schublade.
    »Nein, danke«, sage ich. »Ich hab’s eilig.«
    Ich gehe ins Wohnzimmer, und Rúnar folgt mir auf dem Fuß.
    »Darf ich rauchen?«
    »Meinetwegen«, sagt Rúnar.
    Ich gehe zum Fernseher, der auf einem Tisch mit vier Regalfächern steht. Im obersten Fach befindet sich ein Decoder, im nächsten ein Videoplayer und in den beiden unteren sind Videos aufgereiht. Ich zünde mir eine Zigarette an und bücke mich. Ziehe ein Video heraus, das ich kenne.
    »
Ritter der Straße
. Daran kann ich mich erinnern. Dein Bruder hat die

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