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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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hätte, wäre er mir sicher nicht in Erinnerung geblieben. Gunnar Njálsson trägt eine braune Samthose und ein blaues Hemd und sieht ziemlich durchschnittlich aus. Mittelgroß und mittelschlank, glattrasiert und kurzes Haar, ebenmäßige, unauffällige Gesichtszüge, wie in einer Kinderzeichnung. Die runde Brille mit dem vergoldeten Rahmen verstärkt seinen verwunderten Gesichtsausdruck.
    »Entschuldige die Störung«, sage ich. »Ich heiße Einar, vom
Abendblatt

    Er nickt. »Ich weiß, wer du bist.«
    »Ich wollte mich ein bisschen mit dir über deinen Freund Skarphéðinn unterhalten. Bin auf der Suche nach Informationen für einen Artikel über ihn.«
    Er schaut sich um. »Hast du einen Fotografen dabei? Das will ich nicht.«
    »Nein. Ich brauche kein Foto von dir. Nur Informationen.«
    Er lächelt nicht, sieht aber auch nicht abweisend aus. Seine sachliche Reaktion erinnert mich an einen Beamten. »Was möchtest du wissen?«
    »Tja, zum Beispiel, wie ihr euch kennengelernt habt.«
    »Wir haben uns vor fünf Jahren kennengelernt.«
    »In Akureyri?«
    »Nein. In Reykjavík.«
    Er macht keine Anstalten, mich hineinzubitten. Ich versuche, durch die Türöffnung ins Haus zu gucken, sehe aber nur eine schmutzige Flurwand.
    »War das ungefähr zu der Zeit, als Skarphéðinn in Reykjavík
Ritter der Straße
gedreht hat?«
    »Könnte hinkommen.«
    »Hast du auch mit dem Film zu tun gehabt?«
    »Nein, nein. Wir haben uns einfach kennengelernt, wie das in der Stadt halt so ist.«
    »Stammst du aus Reykjavík?«
    »Ja.«
    »Und warum seid ihr so enge Freunde geworden?«
    »Wir haben uns einfach gut verstanden.«
    »Dieselben Interessen?«
    »Vor allem dieselbe Lebenseinstellung.«
    »Wie war denn Skarphéðinns Lebenseinstellung? Zu jener Zeit wohl kaum vollständig ausgeprägt, ihr wart doch erst vierzehn, fünfzehn.«
    Er starrt mich an. Die Augen hinter den Brillengläsern sind grün. »Es spielt keine Rolle, wie alt man ist, wenn man entdeckt, dass das Leben dazu da ist, um es zu genießen.«
    Ich starre zurück. Keiner von uns sagt etwas. Hinter seinem verwunderten Gesichtsausdruck spüre ich eine versteckte Feindseligkeit.
    »War das der Kern eurer Lebenseinstellung? Dass man das Leben genießen soll?«
    Jetzt umspielt ein Lächeln seine Lippen. »Kompliziert, was?«
    »Ja, könnte komplizierter sein, als es scheint.«
    Er zuckt mit den Schultern.
    »Wann bist du ins Nordland gezogen?«
    »Vor drei Jahren.«
    »Um in der Nähe deines Freundes zu sein?«
    »Könnte man so ausdrücken. Hast du nicht gesagt, du seist auf der Suche nach Informationen über ihn und nicht über mich?«
    »Das läuft auf dasselbe hinaus. Soweit ich gehört habe, warst du sein engster und bester Freund.«
    »Meiner Ansicht nach war er mein engster und bester Freund.«
    »Wart ihr zusammen auf dem Gymnasium?«
    »Am Anfang. Ich hab dann aufgehört und lerne jetzt außerschulisch.«
    »Und wie es sich für gute Freunde gehört, gehe ich davon aus, dass Skarphéðinn dir beim Lernen geholfen hat?«
    »Korrekt.«
    »Ich hab gehört, dass noch andere seine Hilfe in Anspruch genommen haben.«
    »Zweifellos. Skarphéðinn hat mit seinen Fähigkeiten und Gefühlen nicht gegeizt.«
    Dieses Gespräch bringt mich nicht weiter. »Nicht gegeizt, sagst du. Und du hast ihm deine Wohnung in Akureyri überlassen und bist hierher aufs Land gezogen?«
    »Klar. Ist doch selbstverständlich.«
    »Das ist eine schicke Wohnung. Und dann hast du auch noch ein Haus gekauft«, sage ich und setze ein treuherziges Lächeln auf. »Ich wär gerne so geschickt in Finanzdingen wie du.«
    »Ich hab zu einem guten Zeitpunkt gekauft. Hab im Grunde beides für einen Spottpreis bekommen.«
    »Seitdem haben sich die Zeiten ja vollkommen geändert. Alles voll im Aufschwung. Die Investition hat sich bestimmt vervielfacht.«
    »Hier ist es ruhig und friedlich. Gut zum Lesen und Schreiben.«
    Ich halte meinen Gesichtsausdruck durch. »Schreibst du neben dem Lernen noch? Ein Buch?«
    »Ob und was ich schreibe, ist allein meine Sache.«
    »Schon gut.« Ich komme mir ziemlich blöd vor, wie ich hier auf der Treppe stehe. »Stimmt es, dass Skarphéðinn einer der wenigen Leute seiner Generation war, der kein Handy benutzte?«
    »Er wollte keins.«
    »Genau. Trotzdem hab ich ihn mit einem gesehen.«
    »Darüber weiß ich nichts.«
    Er steht mit den Händen in die Hüften gestützt im Türrahmen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Ähm«, räuspere ich mich und versuche, mir

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