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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Trauerfeier geben wird.
    »Ja, die Schule richtet eine Trauerfeier im Tälchen aus«, antwortet er.
    »Im Tälchen?«
    »Die Aula im Hólar-Gebäude, wo wir uns tagsüber immer versammeln.«
     
    Mir waren die Rituale, die wir geschaffen haben, um den Tod zu verarbeiten, schon immer suspekt. Begräbnisse und Nachrufe, gut und schön. Dem Verstorbenen wird die letzte Ehre erwiesen, ob er sie verdient hat oder nicht. Aber ein offener Sarg? Welche Schuldgefühle oder masochistischen Züge treiben uns an, wenn wir dem Verstorbenen noch einmal gegenübertreten wollen? Ist das nicht ein Zeichen mangelnder Vorstellungskraft? Genügt es nicht, den Verstorbenen im Geiste zu verabschieden? An ihn zu denken und sich für die gute oder weniger gute Beziehung, je nachdem, zu bedanken?
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich noch keinem Menschen begegnet bin, der es angenehm oder erquicklich fand, zu einer Beerdigung zu gehen. Und die Leiche wird ja schließlich nicht gefragt.
    Dasselbe gilt für Trauerfeiern. Sie tragen den Anschein einer lockeren Zusammenkunft, einer Art Gedenkfeier, bei der die besten Freunde des Verstorbenen ihre Gesellschaftsfähigkeit unter Beweis stellen, andauernde Beileidsbezeugungen der Gäste entgegennehmen, sich über den Verstorbenen oder ihr eigenes Befinden oder die allgemeinen Neuigkeiten unterhalten müssen. Und dann trinkt man Kaffee, verputzt Schnittchen oder Kuchen, und alle warten nur darauf, dass die Quälerei bald überstanden ist.
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich bei Trauerfeiern immer so fühle, als läge ich neben dem Verstorbenen und mit allen anderen, die ihn in seinem irdischen Leben kannten, im Sarg. Man bekommt kaum Luft.
    Ich stehe in einer Ecke des weitläufigen Hólar-Saals und fühle mich vollkommen fehl am Platze. Wieso stehe ich überhaupt hier herum? Ich bin ein Eindringling. Kannte den jungen Mann überhaupt nicht. Aber ich versuche, über ihn und seinen Tod zu schreiben. Stehe wahrscheinlich deshalb hier herum.
    Ich kann mich nicht recht mit meiner Rolle identifizieren.
    Aus dem Augenwinkel erblicke ich Skarphéðinn Valgarðssons Bruder, der mit seiner Kaffeetasse etwas abseits steht, neben ihm die Vereinsvorsitzende Ágústa, die sehr niedergeschlagen aussieht. Der Bruder wirkt desinteressiert oder gedankenversunken, während sie unaufhörlich redet. Inmitten der Trauergesellschaft sitzt der Vater völlig entkräftet, allein, blass und starrt vor sich hin oder schläft sogar möglicherweise; das ist wegen der dunklen Sonnenbrille schwer auszumachen. Seine Frau sitzt nicht weit entfernt, von Gästen umringt, und versucht, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Dann löst sie sich aus der Menge, geht zu ihrem Mann und flüstert ihm etwas ins Ohr. Er reagiert nicht. Ich überlege, ob ich die Gelegenheit nutzen und sie ansprechen soll. Etwas an ihrem abgekämpften, aber dennoch rüden Gesichtsausdruck hält mich davon ab.
    Ich will mich gerade aus dem Staub machen, als ein junger Mann an mir vorbeiläuft, dem es genauso zu gehen scheint wie mir.
    Skarphéðinn Valgarðssons Bruder eilt in Richtung Toiletten. Ich folge ihm, und bevor ich mich versehe, stehen wir Seite an Seite vor den Pissoirs.
    In einem knappen Bericht im
Morgenboten
war von den vielen guten Eigenschaften des Bruders zu lesen, dass er Rúnar heiße und aufs Gymnasium gehe, wohl in die elfte Klasse.
    Ich werfe ihm einen Blick zu, während ich angestrengt versuche, nicht nur so zu tun, als ob ich pinkeln müsste. Er steht entschlossen, aber mit hängendem Kopf da, im schwarzen Anzug, weißen Hemd und schwarzer Krawatte. Ich denke an fließendes Wasser. Nichts passiert. Ich denke an einen kräftigen, schäumenden Wasserfall. Nichts passiert. Ich denke an den Gletscherfluss Vestari Jökulsá. Daraufhin kommt ein schwacher Strahl. Lieber Gott, ich danke dir.
    Er trocknet sich gerade die Hände ab, als ich ans Waschbecken trete.
    Instinktiv reiche ich ihm die Hand und sage: »Entschuldige, Rúnar. Ich wollte nur …« Dann besinne ich mich und ziehe die Hand wieder zurück. »Entschuldige«, wiederhole ich. »Ich wasche mir besser vorher die Hände.«
    Er kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Als er mit dem Händetrocknen fertig ist, tritt er verlegen vor dem Waschbecken hin und her, während ich mir die Hände wasche und abtrockne.
    Wieder reiche ich ihm die Hand. »Mein herzliches Beileid. Ich kannte deinen Bruder nicht besonders gut. Hab ihn eigentlich nur einmal getroffen. Aber das

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