Todesgott
wandert nachts weinend durchs Haus. Snúlli ist ein einziges Nervenbündel. Ich selbst kann kaum noch arbeiten. Hab mehr oder weniger alles auf Jóa abgewälzt. Keine Ahnung, was ich ohne sie machen sollte. Würde mich wahrscheinlich derart besaufen, dass ich nie wieder auf die Füße kommen würde.«
Ich kann nicht umhin, ihm tröstend meine Hand auf die Schulter zu legen. »Willst du mir nicht sagen, was Karó so aufwühlt?«
»Wenn ich das nur wüsste. Ich frage und frage und flehe sie an, mir zu erzählen, was sie auf dem Herzen hat. Dann weint sie nur noch mehr. Nennt man so was nicht Hysterie?«
»Und es gibt keine mysteriösen Telefonanrufe mehr?«
»Nein, die haben ganz aufgehört.«
»Glaubst du denn, dass das irgendwie damit zusammenhängt?«
Er schaut mich fragend an. »Wie denn?«
»Ich weiß nicht.«
»Als du gesagt hast, du hättest irgendwelche Maßnahmen getroffen – das war doch wohl nur einer deiner schlechten Scherze, oder?«
»Jaaa«, antworte ich beschämt.
»Du weißt also gar nichts?«, fragt er vorwurfsvoll.
»Nein. Ich weiß überhaupt nichts. Wir sind beide ziemlich begriffsstutzig, Ásbjörn.«
Er schaut mich wieder an, noch fragender. »Begriffsstutzig? Was soll das verdammt noch mal heißen?«
»Hast du Karó betrogen?«
Ásbjörn wird feuerrot. »Was soll diese Flegelei? Wie kommst du auf solchen Unsinn?«
Vielleicht, weil ich selbst Probleme hätte, Karólína treu zu sein, denke ich. Und Ásbjörn nicht minder. Ich sage: »Tja, das ist in dieser Situation die einzige Möglichkeit. Oder sie? Könnte ihr Verhalten darauf hindeuten, dass da bei ihr irgendwas läuft?«
Er fasst sich mit beiden Händen an sein fettiges Haar. »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Wir sind nicht so, Karó und ich.«
»Das glauben viele von sich.«
»Karó interessiert sich mehr für Snúlli als für Männer«, sagt Ásbjörn mutlos.
»Willst du wirklich wissen, was los ist?«
»Natürlich. Dieser Zustand ist unerträglich.«
»Ganz sicher?«
Er platzt fast vor innerer Anspannung. »Ja! Ja, zum Teufel!«
»Dann werde ich mal überprüfen, wie begriffsstutzig ich wirklich bin. Aber mach mich nicht dafür verantwortlich, wenn dir das Ergebnis nicht gefällt. Ich werde wirklich ein paar Maßnahmen in die Wege leiten.«
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18
Dienstag
This wheel’s on fire,
Rolling down the road,
Best notify my next of kin,
This wheel shall explode!
Julie Driscoll singt im Radio dieses beklemmende Lied des guten alten Bob Dylan.
Ich fahre durch die Þórunnarstræti auf direktem Weg zur Polizeiwache, aber soweit ich im Rückspiegel sehen kann, stehen meine Reifen nicht in Flammen. Diese Reifen nicht, nicht an meinen Rädern.
Ásbjörn hat mich heute Morgen gegen acht Uhr geweckt, um mir mitzuteilen, dass die drei Männer aus Reyðargerði in den nächsten Stunden aus der U-Haft entlassen werden. »Óligísli wollte nicht mehr sagen, als dass es nicht länger im Interesse der Ermittlungen wäre, die Jungs weiter festzuhalten.«
»Aber die U-Haft ist doch noch nicht abgelaufen?«
»Stimmt, aber er hat das nicht näher erläutert.«
Jóa steht schon mit ihrer Fotoausrüstung vor der Wache, als ich eintreffe. »Hast du sie gesehen?«, frage ich und steige aus dem Auto. Es ist wärmer geworden, die Morgenluft ist noch feucht, und am Fuß des Berges Hlíðarfjall hängt ein Nebelschleier. »Sind sie schon draußen?«
»Nee«, sagt sie. »Noch nicht. Es kann aber nicht mehr lange dauern.« Sie rümpft die Nase. »Soll ich wirklich Fotos von der Entlassung der Männer machen? Sollen die abgedruckt werden?«
»Jaa«, antworte ich schleppend. »Wir haben ja schon ihre Namen veröffentlicht, als sie in U-Haft genommen wurden, auch wenn ich darüber alles andere als glücklich bin. Daher berichten wir natürlich auch über ihre Freilassung.«
»Aber mit Fotos?«
»Bei dem Artikel über die Auseinandersetzungen in Reyðargerði war ein Bild von Agnar, und dann wurde sein Name in der Meldung über die U-Haft erwähnt. Eigentlich ist das hier nur eine Wiederholung.«
»Und wenn sie nicht fotografiert werden wollen?«
Ich zucke mit den Achseln. »Tja …«
»Oder ihre Gesichter verdecken?«
»Dann ist das eben so. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Typen sonderlich medienscheu sind. Warten wir mal ab, was passiert.«
Eine Viertelstunde später öffnet sich die Tür der Polizeiwache, und drei junge Männer treten heraus. Zuerst Agnar Hansen, in brauner Lederhose, blauer
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