Todesgott
Reyðargerði, am Telefon beiläufig: »Hier gibt es einige Leute, die diese Sache als pure Politik betrachten.«
»Willst du etwa behaupten, die Polizei in Akureyri hätte Agnar Hansen und seine Kumpane aus politischen Beweggründen in Haft genommen?«
»Nein, ich behaupte gar nichts. Und die Polizei richtet sich nicht nach der Politik. Man hört nur überall, die Leute könnten sich gut vorstellen, dass politische Gegner führender Persönlichkeiten hier in Reyðargerði mit im Spiel sind und den Verdacht auf die jungen Männer gelenkt haben.«
»Warum zum Teufel?«
»Um Gerüchte über angebliche Auseinandersetzungen und Unruhen im Zuge der Bauvorhaben anzuheizen. Das könnte einen positiven Einfluss auf die anstehenden Wahlen haben.«
»Ziemlich weit hergeholt, finde ich.«
»Vielleicht. Aber warum werden die Jungs verhaftet, während alle anderen Partygäste angeblich unbeteiligt sind und sich an nichts erinnern können?«
»Weil sie von auswärts kamen und Ärger gemacht haben?«
»Oder weil der Sohn des Stadtratsvorsitzenden dabei war und außerdem noch ein Ausländer?«
Kein Wort von diesem Gespräch taucht in meiner knappen Meldung zum Stand der Ermittlungen im Fall Skarphéðinn für die Montagsausgabe auf. Sie endet folgendermaßen:
Die Beerdigung findet heute in der Kirche von Akureyri statt.
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17
Montag
B ullshit«, sagt Trausti Löve. »Das ist wie üblich Bullshit.«
»Ich wiederhole nur, was mir der Hauptkommissar von Reyðargerði gestern Abend anvertraut hat«, maule ich, als ich am späten Vormittag in meinem Schrank sitze.
»Der Mann ist doch der Bruder von Ásgrímur Pétursson«, fährt Trausti, mittlerweile ziemlich erbost, fort. »Das ist ein verzweifelter Versuch, das Interesse der Leute und der Medien im Keim zu ersticken. Politische Beweggründe – Himmel, Arsch und Zwirn! Verstehst du jetzt, wie wichtig es war, die Situation in Reyðargerði zu verfolgen?«
»Es ist gut möglich, dass du diesbezüglich recht hattest.«
»Es ist gut möglich? Es sollte dir eine Ehre sein, zuzugeben, dass das richtig war, ohne Ausflüchte, mein Freund. Ich hab ja schließlich letztens auch meinen Fehler mit dem Schwanz bei der Frage des Tages eingeräumt …«
»Du bist dazu gezwungen worden.«
»… und du solltest dasselbe in Bezug auf Reyðargerði tun.«
Schon hat das Tauziehen wieder begonnen. »Alles klar«, sage ich, »du hattest recht. Aber ich warne das
Abendblatt
davor, die Meinung zu vertreten, diese Jungs aus Reyðargerði, Agnar Hansen und Co, seien die Schuldigen. Sie haben nichts gestanden, und es ist nichts bewiesen. Es gibt keinen anderen Anhaltspunkt, als dass sie vor Ort waren. Bei dieser Party, irgendwann am fraglichen Abend, genau wie viele andere auch. Wir dürfen keine falschen Schlüsse daraus ziehen. Dann fliegt uns die ganze Sache um die Ohren.«
»Wir müssen über die Geschehnisse berichten. Sind alle drei in U-Haft?«
»Ja, die beiden anderen seit heute Morgen. Aber nur für vier Tage.«
»Dann musst du morgen weitere Infos über die Jungs bringen.«
»Sollen wir etwa die Namen von Leuten abdrucken, die überhaupt nicht für schuldig befunden worden sind?«
»Ich wiederhole: Wir müssen über die Geschehnisse berichten. Diese Typen sind in U-Haft – sonst niemand. Wir müssen bekanntgeben, wer sie sind.«
Mir ist unwohl bei der Sache. »Du willst doch hoffentlich nicht darauf hinaus, dass ich Agnar Hansen mit seinem Vater in Verbindung bringen soll?«
»Aber selbstverständlich! Jóhann Hansen ist eine Person des öffentlichen Lebens, und unsere Leser haben ein Recht darauf, von dieser Verbindung zu erfahren.«
»Aber Jóhanns öffentliches Leben hat nichts mit dieser Sache zu tun. Er ist Vorsitzender des Stadtrats von Reyðargerði und rein zufälligerweise Vater des jungen Mannes, der hier in Akureyri in Untersuchungshaft sitzt. Muss ich dem Herrn Ressortleiter den Unterschied erklären?«
»Du musst mir überhaupt nichts erklären, mein Freund«, entgegnet Trausti, jetzt außer sich vor Wut. »Du tust einfach das, was ich sage!«
»Ich weigere mich«, sage ich bestimmt. »Wenn wir das tun, dann bestätigen und fördern wir im Grunde nur die Gerüchte, es gäbe bei dieser Sache politische Zusammenhänge. Bei einer sehr ernsten Sache. Einer Mordermittlung. Hast du eigentlich vollkommen den Verstand verloren, Trausti?«
»Du wirst es tun. Du beschäftigst dich seit Tagen mit dem Hintergrund und dem Charakter von diesem Skarphéðinn
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