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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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als Tui Hsien-Mieng im
Telefonbuch steht, trifft sicherlich nicht zu?“
    „Tui Hsien-Mieng ist ein Deckname, Tim.
Man hat diesem Verbrecher den Beinamen gegeben: Gelber Drache, der den Berg
umkreist und Flammen speit.“
    „Es sei denn, er telefoniert gerade mit
seinen Dealern“, lachte Tim.
    Auch Lam lächelte.
    An der Rückfront des Hauses, etwa in
vier Meter Höhe, befand sich ein Flaschenzug: ein meterlanger Stahlarm, dessen
Ende die Rolle führte. Über dem Flaschenzug stand ein schmales Flurfenster
offen.
    „Ich gehe hoch“, Lam wies zum Fenster, „und
lege das Seil auf die Rolle.“
    Tim beobachtete das Einfädeln, während
Lam sich aus dem Fenster beugte. Er ließ beide Seilenden hinuntergleiten.
    Als er dann wieder bei Tim war,
entfaltete der alte Mann erstaunliche Kraft. Ein kurzer Hauruck – und Tim, der
zur Zeit 69 Kilo wog, schwebte über dem Boden. Lam hievte seinen Schüler auf
Kopfhöhe und verankerte das Seil an einem Mauerhaken.
    Hm! dachte Tim. Ich schwebe, drehe
mich. Die Hände sind gefesselt. Der Gurt kneift unter den Achseln und zieht mir
das Hemd aus der Hose. Und gleich soll ich — wie heißt es? — den Gegner
niedermähen mit den Füßen. Eine Situation aus dem Mittelalter. In unserer
Computer-, H-Bomben-, Kernkraftwerk-Zeit kommt die Bedrohung nicht mit der
Lederpratze. Aber Sport ist Sport — besonders der Kampfsport. Und gegen den
schleichenden Tod aus undichten Reaktoren (Kernkraft-Anlagen) hilft
ohnehin nichts.
    Lam nahm die Lederpratzen.
    Sie waren ungefähr so groß wie Ranzen
für Schulanfänger.
    Er schob die Hände unter die Riemen der
Rückseite und streckte die Pratzen in Kopfhöhe vor sich.
    „Dies, Tim“, er wackelte mit der
Linken, „ist der reißende Schlund eines Drachen. Sein Biß trennt dir die Beine
ab, die jetzt deine einzige Waffe sind. Dies“, die andere Pratze bewegte sich
auf und ab, „ist die geschmeidige Schlange mit ihren tödlichen Giftzähnen. Sie
haben sich verbündet, die Ungeheuer, und greifen dich an. Jetzt!“
    Es ging los.
    Lams Arme zuckten hin und her,
schnellten vor, verhielten, täuschten. Gleichzeitig hüpfte er nach links, nach
rechts, vor und zurück — Tim umkreisend.
    Es wurde ein rasender Kampf. Tims Füße
schossen vor. Aber weil er hing und nicht stand, konnte er sich nicht
abdrücken. Außenkante, Ferse, Spann oder Spitze knallten gegen die Pratzen.
Kaum wurde die Schlange zurückgeworfen, griff der Drache an. Tim begriff
schnell, daß sein Baumeln auch Vorteile hatte. Er konnte mit beiden Füßen
gleichzeitig treten. Mit Spreizschritten teilte er Tritte aus, daß ein Fußball
geplatzt wäre. Basketball-Stiefel klatschten gegen das Leder. Jetzt erwischte
es die Schlange, daß ihr fast der Kopf runterflog. Der Drache hatte mindestens
80 seiner 300 Zähne eingebüßt. Doch das Urzeit-Ungeheuer ließ nicht nach. Woher
nahm Lam diese Kraft? Seine eher dünnen Arme waren offenbar aus Stahl.

    Tim begann zu schwitzen.
    Ist mindestens der 400. Tritt, dachte
er. Aber jetzt fange ich erst an.
    Es ging weiter. Lams Gesicht nahm eine
Gewürz-Färbung an. Jedenfalls stand ein körniges Gewürz in diesem Rot-gelb-Ton
auf jedem seiner Tische.
    Muß ihm noch sagen, dachte Tim
keuchend, daß Herr Glockner diesen Hung — den Dealer mit der Mundwinkel-Narbe —
festnehmen will.
    Klatsch-klatsch! fingen sich Drache und
Schlange den sogenannten Leoparden-Krallen-Tritt ein.

14. Hung riecht Lunte
     
    Kriminal-Assistent Kistler fuhr. Hinter
ihm saß sein Kollege Hoffebaum, der fünf Jahre älter, also 32 war.
    Glockner hatte auf dem Nebensitz Platz
genommen und einen Stadtplan auf den Knien.
    Denn den Roedermann-Weg kannte keiner
der drei.
    „Jetzt rechts um die Ecke“, sagte Glockner.
„Dann müßten wir da sein.“
    „Roedermann-Weg!“ jubelte Kistler. Er
trug Stoppelfrisur und im Milchgesicht einen buschigen Schnauzbart.
    Kistler neigte zum Übereifer, war nicht
immer bedacht. Hoffebaum — unauffällig und schon mit gelichtetem Haar — ließ
sich nie aus der Ruhe bringen. Er sagte kein Wort zuviel und meistens noch
weniger. Richtig munter wirkte er eigentlich nur, wenn er die Fußballberichte
auf der Sportseite las. Er kannte jeden Tabellenstand auswendig.
    Kistler fuhr langsamer.
    Alle blickten in den Roedermann-Weg,
eine Sackgasse, die nach 100 Metern endete. Fachwerkhäuser umstanden einen
Wendeplatz: eine Verdickung der Straße. Wenn ein Wagen dort wenden wollte,
mußte er manövrieren.
    „Dieser Tze Hung wohnt in Nummer

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