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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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28“,
sagte Glockner.
    „Muß eins der letzten Häuser sein — rechts.“
Kistler schob den Kopf vor.
    „Fahr bis zu dem Kombi. Hinter dem
parken wir.“
    Die Häuser wirkten trist. Eine Handvoll
Fahrzeuge hatte die Laternen-Garage schon bezogen.
    Nr. 28 war ein schmales Gebäude ganz
hinten. Offenbar enthielt jede der drei Etagen eine Wohnung. Im Parterre hieß
die Mieterin Dunja Olgaschewskowkoija. Über ihr wohnte Jean-Jacques Duvrièl.
Auf dem Schild neben dem obersten Klingelknopf stand HERR TZE HUNG.
    „Herr Tze Hung“, feixte Kistler. „Er
will sichergehen, daß man ihn nicht für Frau Tze Hung hält.“
    Ziemlich international, dachte Glockner
— und las die Namen nochmal.
    Links vom Haus breiteten sich zwei
Meter Garten aus — der fahlgraue Rasenstreifen zog sich nach hinten.
    „Paß an der Hintertür auf, Peter“,
sagte Glockner — und meinte Hoffebaum. „Vielleicht hat Herr Tze Hung einen
sechsten Sinn für unsereins.“
    Hoffebaum nickte und verschwand um die
Ecke.
    Der Kommissar klingelte bei Hung.
    Oben im Haus machte es
bing-bang-bong-bing-bang-bong.
    Sie warteten. Nichts rührte sich.
    Glockner blickte umher. Nirgendwo stand
eine Maschine — schon gar nicht die, deren Kennzeichen Tim mitgeteilt hatte.
    Parkte Hung seinen Feuerstuhl hinter
dem Haus?
    Das würde Hoffebaum auffallen, falls er
nicht gerade von dem verlorenen Heimspiel des FC... träumte.
    „Sieh mal nach, Reiner, ob hinten ein
Motorrad steht“, sagte Glockner.
    „Natürlich.“ Kistler sprang einen
Wechselschritt. „Wenn sie dort nicht ist und hier nicht ist, ist Herr Hung
außerhäusig, nehme ich an.“
    Er lief los. Glockner klingelte
abermals.
    Die Haustür wurde geöffnet. Ein Mann im
blauen Jogging-Anzug stemmte eine Faust in die Hüfte. „Ja?“
    Keine Mundwinkel-Narbe, dachte Glockner.
Und er ist eher klein und füllig als mittelgroß und zäh. Aber er ist ein
Chinese. Hat Tim sich mit seiner Beschreibung vertan?
    „Sind Sie Herr Hung?“
    Der Chinese schüttelte den Kopf. „Ich
bin Jean-Jacques Duvrièl. Ich hörte, daß Sie bei Tze Hung klingeln. Er ist
nicht zu Hause.“
    „Aha. Danke!“
    Offenbar spürte Duvrièl Glockners
Verwunderung.
    „Ich bin chinesischer Abstammung“, er
lächelte. „Aber mein Vater war Franzose.“
    „Das erklärt Ihren Namen.“
    Duvrièl rückte an seiner Nickelbrille.
    „Wollen Sie sich als Schüler anmelden?“
fragte er.
    „Als Schüler?“ Glockner hob die Brauen.
„Gibt Hung Unterricht?“
    „Aber ja. Er unterrichtet die
chinesische Sprache, mehrere Dialekte sogar. Und in Kalligraphie (Kunst des
Schönschreibens, vor allem der chinesischen Schriftzeichen ).“
    „Sind Sie sein Freund?“
    Duvrièl verneinte. „Wir kennen uns
kaum. Ein Freund aus Amsterdam schrieb mir, daß ein Landsmann hier eine Wohnung
sucht. Oben die war frei, und Herr Hung ist eingezogen.“
    „Wann war das?“
    Der Chinese blickte verwundert durch
die Nickelbrille. „Vor drei Wochen.“
    „Hat Hung bereits Schüler?“
    „Weiß ich nicht. Gesehen habe ich noch
keinen. Mein Herr, Sie fragen wie ein Polizist.“
    Glockner zog seine Marke hervor und
zeigte sie ihm. „Wir interessieren uns für Hung.“
    Duvrièl riß die Augen auf. „Oh! Hat er
was angestellt? Ich hoffe, nichts Schlimmes. Es wäre mir sehr unangenehm, weil
ich ihm die Wohnung vermittelt habe.“
    „Genaues wissen wir noch nicht. Aber
das wird sich rausstellen. Haben Sie was dagegen, wenn ich im Flur warte?“
    Kistler kam zurück und verharrte wie
angewurzelt, als er den Chinesen sah.
    „Das ist Herr Duvrièl“, erklärte Glockner.
„Er gestattet uns, daß wir im Flur warten.“
    Mit keiner Silbe hatte der Chinese
zugestimmt. Aber Glockners freundliches Lächeln ließ keinen Widerspruch zu.
    „Bitte!“ sagte Duvrièl.
    Er blickte zum Bordstein, wo ein grauer
Fiat sich mit zwei Rädern auf den Gehsteig stützte. Duvrièl zog Autoschlüssel
aus der Tasche.
    „Bitte, lassen Sie die Haustür offen.
Ich habe was im Wagen vergessen.“
    Der Flur roch muffig. Eine Treppe
führte aufwärts. Die Tapete hatte Risse. Kistler lehnte sich an die Wand und
klopfte eine Zigarette aus dem Päckchen. Er war Raucher und hatte deshalb ein
Büro für sich allein, allerdings ein sehr kleines.
    Durch den Türspalt beobachtete Glockner,
wie Duvrièl in dem Fiat kramte.
    Leere Plastiktüten, Zeitungen und ein
Squash-Schläger lagen auf dem Rücksitz. Duvrièl warf den ganzen Kram ins
Heckfenster, bis er endlich fand, was er suchte: einen

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