Todeshaus am Deich
Schwesterntracht auf, die ein Tablett mit
Kaffeegeschirr trug. Sie blieb abwartend stehen.
»Guten Tag, ich bin
Schwester Anke. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie höflich.
»Kripo Husum«,
stellte sich Christoph vor. »Wir möchten mit Herrn Brodersen sprechen.«
»Würden Sie mir
bitte folgen«, bat sie und ging zum Büro des Heimleiters voran.
Brodersen saß hinter
seinem Schreibtisch und machte keinen erfreuten Eindruck.
»Darf ich Ihre
Ausweise sehen?«, fragte er und studierte die Dokumente ausführlich. »Ich
vermute, Sie möchten Informationen zu Herrn Schüttemann. Da es sich um
vertrauliche Angaben handelt, wollte ich sichergehen, dass Sie auch wirklich
von der Polizei sind. Sie glauben ja nicht, wer sich hier aus welchen
abenteuerlichen Gründen einschleicht.«
»Zu welchem Zweck?«,
fragte Große Jäger.
»Um den Bewohnern
etwas zu verkaufen. Oder schlicht, um zu klauen. Außerdem hätte auch ein Anruf
genügt.«
»Anruf?«
»Um mir mitzuteilen,
dass das Ganze ein Windei ist. Eine fixe Idee von der Ärztin, die sich aufblasen
wollte.«
»Da unterliegen Sie
einem Irrtum. Dürfen wir uns setzen?«, fragte Christoph.
»Dauert es länger?«,
antwortete Brodersen mit einer Gegenfrage.
»Ziemlich, wenn wir
es wollen. Und manchmal habe ich richtig Bock«, mischte sich Große Jäger ein und
angelte mit der Fußspitze nach einem Stuhl, den er unter dem missbilligenden
Blick des Heimleiters über den Teppich zu sich heranzog.
»Dr. Michalke hatte
mit ihrer Vermutung recht, dass die Todesursache bei Herrn Schüttemann unklar
ist«, erklärte Christoph und nahm auf einem zweiten Stuhl Platz. »Vermutlich
ist der alte Herr erstickt.«
»Das glaube ich
nicht«, erwiderte Brodersen und ließ sich in seinen Sessel fallen. »Woran soll
er erstickt sein?«
»An einem
Apfelstück.«
Entspannung zeigte
sich im Gesicht des Heimleiters. »Dann ist ja alles klar.«
»Nicht unbedingt. Da
gibt es einige offene Punkte. Wie konnte Paul Schüttemann vom Apfel abbeißen,
obwohl sein Gebiss auf dem Nachttisch lag?«
»Sie glauben nicht,
welch sonderbare Dinge alte Leute tun«, wiegelte Brodersen ab.
»Und wo sind die
Reste des Apfels geblieben? Die Spurensicherung hat keine entdeckt.«
Statt einer Antwort
griff Brodersen zum Telefon und bat um den Besuch der Oberschwester.
Kurz darauf erschien
Schwester Dagmar.
»Haben Sie dort
Reste eines Apfels bemerkt, als Sie in das Zimmer kamen?«, fragte Christoph.
Die
Pflegedienstleiterin überlegte einen Moment.
»Daran kann ich mich
nicht erinnern«, sagte sie. »Ich habe allerdings auch nicht darauf geachtet.
Als ich von meiner Kollegin gerufen wurde, habe ich mich ganz auf den Patienten
konzentriert. Zu diesem Punkt sollten Sie Schwester Regina befragen.«
Brodersen griff
erneut zum Telefon. Diesmal dauerte es etwas länger, bis die Frau im weißen
Kittel erschien und sich entschuldigte, dass sie zuvor noch einen Heimbewohner
zu versorgen hatte.
Christoph stellte
ihr die gleiche Frage.
»Ja, da stand eine
Untertasse mit einem Apfel und einem kleinen Messer. Die hatte ich selbst
dorthin gestellt. Ich habe mich noch gewundert, da ich den Apfel natürlich ganz
gelassen hatte, sonst wäre er angelaufen. Später lagen dort drei Apfelviertel.
Und die Reste vom Kerngehäuse des letzten Viertels. Offenbar hat Herr
Schüttemann sich die Frucht geteilt und ein Stück gegessen.«
»Hat er das öfter
gemacht?«
Regina überlegte. »Eigentlich
nicht. Dazu war er in der letzten Zeit zu geschwächt. Ich habe sonst das Obst
in kleine Teile geschnitten und ihn gefüttert.« Die Krankenschwester legte die
Fingerspitze an den Nasenflügel. »Überhaupt, jetzt wo Sie es sagen. Natürlich
bekam der alte Herr nur geschältes Obst, weil die Schale für ihn zu hart
gewesen wäre. Aber auf der Untertasse mit den Apfelresten lag keine Schale. Er
muss sie mitgegessen haben.«
Christoph und Große
Jäger wechselten einen raschen Blick.
»Und wo ist die
Untertasse mit den Resten geblieben?«
»Die habe ich
weggeräumt, noch bevor die Ärztin kam. War das nicht richtig?«, räumte
Schwester Regina ein und machte dabei ein schuldbewusstes Gesicht. »Ich habe
mir nichts dabei gedacht und wollte nur Ordnung schaffen.«
Christoph wandte
sich an Schwester Dagmar. »Wer hatte Zugang zum Zimmer des Herrn Schüttemann?«
»Praktisch jeder.
Wir wollen ein offenes Haus. Das fördert die Kommunikation unter den alten
Menschen. Außerdem ist es für das Personal praktischer, wenn wir nicht
Weitere Kostenlose Bücher