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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ist in Husum ein wenig schwieriger als im Dschungel der
Großstadt. Hier ist alles überschaubar. Es gibt keine verdeckten Ecken, in
denen man sich verkriechen kann. Wer sich trotzdem unter Menschen bewegen
möchte, dabei aber unerkannt bleiben will, der ist hier falsch«, sagte
Christoph.
    »Ich verstehe nicht, weshalb er sich nicht meldet«,
warf Anna ein, die nicht um den Hintergrund wusste. Die beiden Polizisten
wechselten einen raschen Blick, ohne ein Wort zu sagen.
    »Kann es sein, dass da noch mehr hintersteckt?«,
fragte sie.
    »Möglich«, antwortete Christoph ausweichend und sah
zur Tür, als diese sich öffnete und ein Ehepaar mittleren Alters hereinkam.
    »Ich dachte schon, Große Jäger erscheint. Dann wären
wir ja fast vollständig.«
    Mommsen schüttelte den Kopf, dass die blonden
Haarspitzen sich heftig bewegten. »Der hockt daheim und versucht, seinen Hund
zu erziehen.«
    »Das ist das Gescheiteste, was er tun kann«,
bestätigte Karlchen. »Nicht umsonst hat ein gescheiter Mensch dem Hund den
Namen Blödmann gegeben. Nicht wahr?«
    Dabei sah er Christoph an, der zur Bestätigung nickte.
    *
    Weder die Straßenbeleuchtung noch das Licht in den
Fenstern der angrenzenden Geschäfte schafften es, die Nacht in ein
ansprechendes Licht zu tauchen. Zumindest nicht in diesem Teil Husums. Obwohl
erst die Zeit der Tagesschau schlug, waren kaum Passanten unterwegs.
    Große Jäger hatte nach Beginn der Abenddämmerung einen
Streifzug durch Lokale der Stadt begonnen, von denen er glaubte, dass dort
jenes Publikum verkehrte, das am ehesten Thorben Althoff kennen könnte. Seine
Hoffnung, den Gesuchten selbst zu finden, war relativ gering.
    Der Oberkommissar wohnte schon lange in der
nordfriesischen Metropole, und es waren nicht nur dienstliche Belange, die ihn
zu einem Kenner der einheimischen Gastronomie gemacht hatten. Mit einem
Augenzwinkern erklärte er jedem, dass er sich davor fürchtete, eines Tages würden
seine Nieren den Dienst versagen. So galt seine Sorge dem Durchspülen dieses
Organs. Obwohl er, der gebürtige Westfale, sich schon lange als Einheimischer
fühlte, mangelte es ihm an Lokalpatriotismus, um seine »Gesundheitspflege« mit
dem Husumer Mineralwasser zu betreiben. »Und die Säure im Wein schädigt auf
Dauer meinen Magen«, lautete eine weitere Erkenntnis von ihm, sodass er sich –
rein aus gesundheitlichen Gründen – auf den Bierkonsum konzentrierte.
    Er hatte bereits drei Gaststätten an diesem Abend besucht
und konsequent in jedem Lokal zwei Bier getrunken. Nicht gezählt hatte er dabei
die Zigaretten, die für ihn ein begleitendes Muss bedeuteten.
    Als er die vierte Kneipe des Abends ansteuerte, hörte
er schon von Weitem die Geräusche einer lebhaften Auseinandersetzung. Zu seiner
Überraschung waren es nur sechs junge Männer, die lässig am Tresen lehnten und
ihre unterschiedliche Auffassung zu irgendeinem Thema vortrugen. Als er den
stickigen Raum betrat, schenkten ihm die anderen Gäste kurz ihre Aufmerksamkeit.
    »Hi, Michi«, grüßte er den Wirt, der vom Bierzapfen
aufsah, ihm wortlos zunickte und sich weiter seiner Beschäftigung widmete.
    Hinter Große Jäger war Hilke Hauck in die verräucherte
Bude gehuscht. Sie gesellte sich zum Oberkommissar an den fleckigen Tresen,
nahm eine Hand vor den Mund und hüstelte demonstrativ.
    »Ich hab’s dir gleich gesagt. Husums Kneipen sind
nichts für Landeier. Ich kann mein Bier auch ohne deine Begleitung trinken.«
    »Ich fürchte, dass du dabei aber den Überblick
verlierst. Deshalb bin ich zum Zählen mitgekommen«, erwiderte sie.
    Große Jäger ließ die Bemerkung unkommentiert und
bestellte ein Bier und ein Mineralwasser für seine Begleitung. Dann zog er das
Foto von Thorben Althoff aus der Tasche und zeigte es dem Wirt.
    »Kennst du den?«
    Der Mann hinterm Tresen sah nicht auf das Foto,
sondern erledigte weiter seine Arbeit. Erst nach einer ganzen Weile warf der
Wirt einen flüchtigen Blick darauf.
    »Was is ‘n mit dem?«
    »Wir suchen jeden, der blöde Fragen stellt«,
antwortete Große Jäger. »Also, wann war er das letzte Mal in deinem
Bumsschuppen?«
    Der Unterton in der Antwort des Oberkommissars ließ
den Wirt aufhorchen.
    »Zeig noch mal«, sagte er, wischte sich die Hände an
den Nähten seiner Hose ab und griff zu einer Brille, die zwischen anderen
Utensilien neben der Zapfanlage lag. Dann betrachtete er das Foto eingehend.
    »Ist das Thorben?«, fragte er.
    »Nee, ‘nen Jugendfoto vom Bundespräsidenten. Ich

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