Todeshaus am Deich
nur
mit den Schultern und überließ seiner Vermieterin, sich die passende Antwort
selbst auszuwählen.
»Schließlich sind
Sie ja auch nicht mehr der Jüngste«, versuchte ihn die über Achtzigjährige zu
ermuntern. Und als er nicht auf ihre besorgt klingende Anmerkung einging,
zeigte sie ihre mütterliche Seite.
»Ich werde mich bei
der Hausarbeit auch ganz ruhig verhalten, wenn Sie sich nach der anstrengenden
Nachtarbeit jetzt ausruhen möchten.«
»Ja – ja«,
antwortete Christoph und warf die Tür seiner Wohnung hinter sich ins Schloss.
Nach dem lockeren Beisammensein im Dragseth’s Gasthof war er mit zu Anna gefahren
und hatte dort die Nacht verbracht. Jetzt war er in seine Wohnung
zurückgekehrt, um die Morgentoilette zu erledigen und sich umzuziehen.
Er hatte Glück, dass
ihm seine Vermieterin nicht ein zweites Mal begegnete, als er das Haus wieder
verließ, um zur Polizeidirektion zu fahren.
Das Büro war
verwaist. Dafür fand er eine Nachricht von Mommsen auf seinem Schreibtisch. Der
junge Kommissar war bereits auf dem Weg zum Elisabeth-Sophien-Koog unterwegs,
jener Streusiedlung mit weniger als fünfzig Einwohnern auf der Husum
vorgelagerten Insel Nordstrand, die als Wohnsitz des Ministerpräsidenten
bekannt geworden ist.
Erwartungsgemäß war
Große Jäger noch nicht eingetroffen. Dafür erschien wenige Minuten später Hilke
Hauck und berichtete von dem Streifzug durch die Husumer Kneipen.
Es verging eine
weitere halbe Stunde, bis der Oberkommissar erschien. Er war jedoch nicht
allein. An der Leine zog er einen rehbraunen Hund hinter sich her, der deutlich
machte, dass er andere Vorstellungen als sein Herrchen hatte. Das Tier sah aus
wie ein hochgelegter Dackel.
Große Jäger sah sich
kurz um, ohne zu grüßen, und knurrte Christoph an: »Hat Tante Hilke schon
gepetzt?«
Dann ließ er die
Hundeleine einfach auf den Boden und sich in den Schreibtischstuhl fallen. Mit
der Schuhspitze angelte er nach der Schublade, zog diese hervor und parkte
seine Füße darauf. Demonstrativ griff er zum Kaffeebecher, sah hinein und tat
überrascht, dass ihm nur der eingetrocknete Bodensatz vom Vortag entgegensah.
Es folgte das Anzünden der obligatorischen Zigarette.
»Zum einen sagt man
›Moin‹, wenn man einen Raum betritt«, belehrte ihn Christoph.
Der Oberkommissar
winkte müde ab. »Hab ich gestern gesagt. Ist morgen wieder dran.«
»Zum Zweiten habe
ich dir schon zigmal erklärt, dass du deine Haustiere nicht mit zum Dienst
bringen sollst. Hunde haben hier nichts zu suchen.«
Große Jäger streckte
den Zeigefinger aus und zeigte auf Christoph.
»Stimmt. Und ich
habe dir oft erklärt, dass der Hund eines Schäfers ein Schäferhund ist, der
Hund auf dem Bauernhof ein Hofhund, und der Hund eines Polizisten ist ein …«
»Auch ein
Polizeihund nach deiner Definition gehört nicht hierher. Ohnehin ist deine
Begriffsbestimmung sehr fragwürdig. Schließlich ist der Hund eines Seemannes ja
auch kein Seehund.«
Statt zu antworten, zeigte
Große Jäger auf Mommsens Schreibtisch.
»Wo ist denn das
Kind?«
»Harm ist bereits zu
einem Einsatz unterwegs.«
»Hat er wenigstens
vorher Kaffee gekocht?«
»Kannst du das nicht
selbst?«, mischte sich Hilke ein.
»Wieso? Dafür sind
doch die Frauen zuständig.«
»Na schön, Onkel,
dann werde ich dir einen von mir holen«, sagte Hilke, griff mit spitzen Fingern
seinen Kaffeebecher und verließ das Büro.
»Wilderich«, wurde
Christoph ernst. »Ich toleriere ja viele deiner Marotten. Aber es geht nicht,
dass du deinen Hund mitbringst. Blödmann stört den Dienstbetrieb. Und das kann
ich nicht dulden.«
Bei der Nennung
seines Namens hatte der Hund den Kopf kurz gehoben, sich dann aber wieder vor
Große Jägers Schreibtisch ausgestreckt.
»Ich kann das Tier
doch nicht den ganzen Tag allein in der Wohnung lassen. Wenn du das forderst,
bekommst du Ärger mit jedem Tierschutzverband.«
»Vielleicht hättest
du es dir vor Anschaffung des Hundes überlegen können, wo er während deines
Dienstes bleibt.«
Große Jäger musterte
Christoph aus zusammengekniffenen Augen.
»Ein Mann braucht
einen Hund«, erklärte er kategorisch. »Wer freut sich und wedelt mit dem
Schwanz, wenn du heimkommst?«
»Dann bring Blödmann
in deine Wohnung, damit er sich auch richtig freuen kann, wenn du kommst.«
»Heute Mittag«,
entschied Große Jäger. Für ihn war die Diskussion damit abgeschlossen.
Christoph kannte
seinen Kollegen mittlerweile gut genug, und er hatte oft
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