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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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eifersüchtig wird. Der hat mir auch schon vier Heiratsanträge gemacht.«
    »Donnerwetter«, mischte sich der Kapitän ein. »Da hat
unsereiner keine Chance mehr.«
    »Schon gar nicht mit unserer Prostatahypertrophie«,
pflichtete ihm Seelig bei. »Wenn ich gewusst hätte, dass ein Mann im Alter so
oft pinkeln gehen muss, wäre ich nicht älter als dreißig geworden.«
    Thordsen hatte inzwischen zum Löffel gegriffen, ihn
vorsichtig in die Suppe eingetaucht und pustete nun in die helle Flüssigkeit.
    »Was isses denn heut?«, fragte Seelig.
    »Spargelcremesuppe«, antwortete Anke und stellte die
dritte Tasse vor Kubelka hin.
    »Schade, dass der alte Steinträger mit seinem
Alzheimer inzwischen so plemplem ist, dass er kaum noch zum Essen kommt«,
kommentierte Seelig und machte immer noch keine Anstalten, von der Suppe zu
probieren. Auch Kubelka hatte sein Abendessen noch nicht angerührt.
    Vorsichtig führte der Kapitän den Löffel zum Mund und
sog geräuschvoll die Suppe ein. Kaum hatte die Speise seine Zunge berührt, als
er sich schon über die Tasse beugte und den Inhalt in das Gefäß spuckte. Hastig
griff er zur Serviette, wischte sich den Mund, nahm das bereitstehende
Wasserglas zur Hand und trank hastig einen großen Schluck. Jetzt waren auch
neugierige Blicke von den Nachbartischen auf ihn gerichtet.
    »Pfui Teufel«, schimpfte Thordsen. »Was ist das für
eine Schweinerei? Das ist eine pure Salzlösung, die uns da serviert wurde.«
    Ähnliche Geräusche drangen jetzt auch von einer
anderen Ecke des Speisesaals herüber. Dort hatte man von den Geschehnissen an
diesem Tisch nichts mitbekommen und die gleiche Erfahrung wie Thordsen gemacht.
    »Das ist ein übler Scherz«, empörte sich der Kapitän.
    »Sie können immer nur über Streiche lachen, die auf
Kosten anderer stattfinden«, sagte Kubelka und erntete dafür einen bösen Blick
seiner beiden Tischnachbarn.
    Schwester Anke zeigte sich erschrocken.
    »Das kann nicht sein«, war ihre erste Reaktion. Dann
nahm sie den noch unbenutzten Löffel Seeligs und probierte vorsichtig einen
Tropfen Suppe. Sie verzog angewidert das Gesicht.
    »Stimmt! Ich kümmere mich darum«, sagte sie, sammelte
die Suppentassen wieder ein und verschwand damit Richtung Küche.
    Thordsen sah sich um.
    »Wo steckt eigentlich der Rammler?«, fragte er, weil
er von Hasenteuffel-Stichnoth nicht entdecken konnte.
    Seelig guckte über die Schulter.
    »Scheint nicht beim Essen zu sein«, stimmte er zu.
»Wahrscheinlich ist dem feinen Herrn unsere Gesellschaft nicht genehm.«
    »Ich kann auf dessen Gegenwart durchaus verzichten«,
sagte Kubelka und stand auf, um sich am Buffet zu bedienen.
    *
    Anke stellte das Tablett mit den Suppentassen hart auf
dem Tresen in der Küche ab.
    »Was ist dir da für ein Missgeschick unterlaufen,
Babuschka?«, sagte sie zu der rundlichen Frau mit der befleckten Schürze und
der weißen Küchenhaube, unter der widerborstige graue Strähnen hervorlugten.
    Irina Schmidt, eine Migrantin aus dem asiatischen Teil
Russlands, sah Anke aus ihrem runden Gesicht an und rümpfte dabei ihre
Knollennase.
    »Mir nicht Missgeschick unterlaufen«, sagte sie
energisch in der harten Tonart der Osteuropäer. »Was soll sein?«
    »Die Suppe ist total versalzen.«
    »Kann nicht sein«, stellte die Babuschka fest. Diese
typisch deutsche Reaktion beim Vortragen einer Beschwerde, ohne den Grund zu
prüfen, hatte auch sie sich zu eigen gemacht. Dann nahm sie einen Löffel,
probierte und verzog das Gesicht.
    »Das ist nicht von mir«, sagte sie treuherzig. »So was
mach ich nicht. Bestimmt.«
    »Wer hat die Suppe gekocht?« Schwester Anke blieb
hartnäckig.
    »Na, ich! Aber nicht mit Salz.«
    »Hast du eine Alternative?«, fragte Anke die Köchin.
    »Woher ich soll nehmen so schnell andere Suppe, hä?
Ich kann nicht zaubern«, stellte Babuschka lakonisch fest. »Müssen die Leute
bleiben ohne Suppe. Manche sind sowieso viel zu dick.« Wie um das zu
unterstreichen, fuhr sich Irina Schmidt mit beiden Händen über ihren rundlichen
Leib.
    »Manchmal es macht wirklich keinen Spaß, für die Alten
zu kochen. Ständig hat einer was zu meckern. Ist zu heiß, Babuschka, ist zu
kalt, Babuschka. Ist zu fettig, ist zu trocken.« Aufgebracht griff sie zu einem
Küchentuch, knüllte es zusammen und warf es auf den Tresen zurück. »Und manche
nicht kommen zu Tisch. Von mir aus die sollen sich kochen ihr Essen selber.«
    Jeder im Hause kannte Irina Schmidts impulsive Art,
wusste aber auch, dass der

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