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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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der
Zungenspitze über die Lippen, um den Rest der Schaumkrone wegzuwischen.
    »Hast du sonst noch etwas über das Altersheim gehört?«
    »Man spricht nicht mehr vom Altersheim. Das ist
diskriminierend«, klärte ihn Anna auf. »In der Tat pfeifen es die Spatzen von
den Dächern, dass es wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt. Man sagt, dass sich
Brodersen übernommen hat und händeringend nach neuen Geldquellen sucht. Seine
bisherigen Finanziers sind wohl ausgestiegen – oder haben es vor. Jetzt steht
er mit dem Rücken zur Wand.«
    Christoph nahm diese Information schweigend zur
Kenntnis. Eine ähnliche Andeutung hatte bereits von Hasenteuffel-Stichnoth
gemacht.
    »Ist es für Brodersen vorteilhaft, wenn er alte und
pflegebedürftige Patienten durch jüngere ersetzt?«.
    »Auf jeden Fall«, sagte Anna und sah ihn durchdringend
an. »Neue Bewohner kannst du zu besseren Konditionen aufnehmen als die alten,
mit denen du möglicherweise Verträge geschlossen hast, die für den Betreiber
heute ungünstig sind. Und dann hast du bei mehr Geld mit gesünderen Patienten
weniger Aufwand. Das heißt, du kannst am Personal sparen.«
    Warum hatte sich Brodersen so vehement gegen den
Verdacht, es könnte ein unnatürlicher Todesfall vorliegen, gewehrt?, fragte
sich Christoph, ohne seinen Gedanken vor Anna auszusprechen. Stattdessen fragte
er sie: »Ist das Personal zuverlässig?«
    Sie nickte. »Soweit ich das einschätzen kann – ja. Es
gibt zu wenig Mitarbeiter. Und die, die da sind, erfüllen ihre Aufgaben mit
viel Engagement und hoher Verantwortung. Aber irgendwann ist auch der Akku des
gutwilligsten Altenpflegers leer.«
    In diesem Moment betrat ein Mann die Gaststube, der
allein durch seine Erscheinung Aufmerksamkeit erregte. Er trug eine lila Hose,
dazu ein quittegelbes Hemd unter einer Peter-Frankenfeld-Jacke. Unter dem Hals
saß eine giftgrüne überdimensionierte Fliege. Er sah sich kurz um, stutzte, als
er Christoph und Anna sah, und kam mit ausgestreckten Armen auf die beiden zu.
Ihm folgte Mommsen, der nach ihm eingetreten war.
    Karlchen beugte sich zu Christoph herab, gab ihm
beidseitig ein Wangenküsschen und tätschelte freundschaftlich dessen Arm.
    »Hallo, lieber Christoph«, flötete er in übertrieben
hoher Stimmlage, weil er sich bewusst war, dass er die ungeteilte
Aufmerksamkeit aller anderen Gäste hatte.
    Annas Begrüßung bestand aus einer lässigen
Handbewegung.
    »Hi – du bekommst keinen Kuss von mir«, grinste er die
rothaarige Arzthelferin an. Dafür begrüßte Mommsen sie mit einem festen
Händedruck.
    Die beiden nahmen unaufgefordert an Christophs Tisch
Platz.
    »Sei mir nicht böse, Karlchen, aber dein Outfit ist
wieder einmal umwerfend.«
    Der kleine Mann lächelte nur. Oft genug hatte er
erklärt, dass Christoph und Mommsen abends die gleiche Kleidung wie im Dienst
trügen, mithin in Arbeitskleidung unterwegs waren, wie er es nannte.
    »Ich arbeite als Animateur oder Eventschaffender, wie
es heute heißt«, hatte Karlchen erklärt, »und nehme mir die Freiheit, auch in
Arbeitskleidung herumzulaufen.«
    Christoph hatte sich schon lange an die
Lebensgemeinschaft dieses ungleichen Paares gewöhnt, das schrille Karlchen und
der korrekte Mommsen, dessen sportliche Erscheinung die Herzen vieler Frauen
bei der ersten Begegnung höherschlagen ließ.
    »Ich weiß gar nicht, weshalb ich immer die
Aufmerksamkeit von Frauen auf mich ziehe«, sagte Karlchen in gespielter
Empörung.
    »Wenn du nicht immer bunt wie ein Malkasten
herumlaufen würdest, würden dir auch weniger Frauenblicke folgen«, klärte ihn Anna
auf.
    »Hach! Das musst du gerade sagen. Zeig mir mal die
Frau, die durch die Stadt läuft, ohne vorher ihr Gesicht anzumalen.« Dann
drehte er sich zu Christoph um. »Weißt du eigentlich, mein lieber Christoph,
was du mit Helgoland gemeinsam hast?«
    Christoph sah ihn ratlos an.
    »Ihr habt beide eine lange Anna.«
    »Ich will nicht dienstlich werden«, sagte Mommsen
ernst und erzählte dann aber doch von seinem nachmittäglichen Rundgang durch
die Stadt und seiner Suche nach Thorben Althoff. »Mir lässt die Sorge um den
kleinen Jungen, der so dringend auf die Knochenmarkspende wartet, keine Ruhe.«
    Betroffen lauschten Anna und Karlchen, dem die
Beschäftigung mit Kindern bei seiner Arbeit besonders viel Freude bereitete,
Mommsens Bericht.
    »Seid ihr euch sicher, dass der Mann noch in der
Gegend ist?«, fragte Anna.
    »Es ist sehr wahrscheinlich. Aber im Augenblick ist er
abgetaucht. Und das

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