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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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der Nähe, zu denen sie gefahren sein könnte?«
    Brodersen übernahm
die Antwort.
    »Es gibt eine
Nichte, die hier in Husum wohnt und sie gelegentlich besucht hat. Ich müsste in
den Unterlagen nachsehen, wie sie heißt. Ich glaube, es ist die Tochter der älteren
Schwester von Frau Beckerling, die verwitwet ist und in einem Heim in der
Lüneburger Heide wohnt.«
    »Ist Frau Beckerling
vermögend?«, fragte Christoph.
    Der Heimleiter
streckte ruckartig den Kopf vor, als hätte ihn jemand in den Nacken geschlagen.
    »Wie soll ich die
Frage verstehen?«
    »Wörtlich«, mischte
sich Große Jäger ein.
    Brodersen wiegte den
Kopf.
    »So genau kann ich
es nicht sagen. Sie leidet keine wirtschaftliche Not und kann ihren Aufenthalt
bei uns problemlos bestreiten.«
    »Wenn ich dazu etwas
sagen darf?«, sagte Oberschwester Dagmar. »Ich glaube, unser Trudchen, wie
manche sie hier nennen, hat nie ausschweifend gelebt und während ihres langen
Arbeitslebens ordentlich gespart. Ich kenne keine Größenordnungen, aber ich
glaube, sie nagt nicht am Hungertuch. Zufällig habe ich mitbekommen, dass sie
ihrer Nichte manchmal Bares in die Hand gedrückt hat. Gelegenheiten, um Geld
für andere Sachen auszugeben, hatte sie ja kaum noch.«
    »Ist es früher schon
vorgekommen, dass Frau Beckerling sich eigenmächtig entfernt hat?«
    »Nein«, antwortete
die Pflegedienstleiterin gedehnt. »Bei Frau Beckerling haben wir das noch nicht
erlebt.«
    »Zu Fuß wird sie
sich kaum entfernt haben, da ihre Gehhilfe hier steht«, stellte Christoph fest.
»Wollen Sie Vermisstenanzeige erstatten?«
    »Wer? Wir?«, fragte
Brodersen erstaunt.
    »Wer sonst?«
    »Wieso? Wir haben
nur festgestellt, dass eine Bewohnerin unseres Hauses nicht in ihrem Apartment
ist. Das ist für mich noch kein Anlass, eine Anzeige aufzugeben. Ich möchte
jede Unruhe unter den alten Herrschaften vermeiden. Die Hektik, die von außen
nach dem Tod von Paul Schüttemann in unser Haus hineingetragen wurde, ist schon
schlimm genug.«
    »Und wie ist es um
die Gesundheit Frau Beckerlings bestellt, wenn sie nicht zur Blutwäsche geht?«
    »Ich gehe davon aus,
dass sie sich selbst darum kümmert. Schließlich weiß sie um die Notwenigkeit
der Dialyse«, erklärte Brodersen.
    Dann ließen sich die
beiden Beamten Namen und Anschrift der Nichte geben. Anschließend befragten sie
den Hausmeister und andere Mitarbeiter und Bewohner des Hauses, aber niemand
hatte Trude Beckerling am Vortag die Seniorenresidenz verlassen sehen.
    »Was machen wir
nun?«, fragte Große Jäger unterwegs und gab gleich selbst die Antwort. »Auch
wenn keiner eine formelle Vermisstenanzeige aufgeben will, können wir das
Verschwinden der alten Frau nicht ignorieren. Wir müssen sie suchen, auch wenn
es keinen offiziellen Anlass dazu gibt.« Er stemmte die Beine gegen das
Bodenblech und lehnte sich im Autopolster zurück, dass der Sitz ächzte. Er streckte
beide Arme vor und dehnte seinen Körper. »Ahhh«, gab er dabei laut von sich. Es
folgte ein herzhaftes Gähnen. Dann war er bereit, weiterzusprechen.
»Schließlich überrascht es niemanden mehr in der Landespolizei, wenn wir
Husumer eigenmächtig etwas unternehmen. Das hat sich so eingebürgert, seitdem
du in Nordfriesland bist.« Er gab Christoph einen freundschaftlichen Stoß in
die Seite.
    Sie hielten vor
einem der Mehrfamilienhäuser in der Kreuzerstraße.
    Saskia Willich, Frau
Beckerlings Nichte, wohnte in der zweiten Etage. Auf ihr Klingeln meldete sich
niemand. Auch der zweite Versuch blieb erfolglos. Etagennachbarn waren nicht zu
erreichen. Sie erkundigten sich bei einem anderen Mitbewohner nach dem
Hausmeister.
    »Der ist im Urlaub«,
wurde ihnen erklärt. »Und der Vertreter wohnt nicht hier. Der kommt theoretisch
jeden Tag vorbei. Aber der Kerl ist so faul, dass ich ihn hier noch nicht
gesehen habe. Und wie er heißt, weiß ich auch nicht.« Der stämmige Mann mit den
muskulösen Unterarmen ließ die beiden Beamten stehen und verschwand hinter der
Hausecke.
    »Mag ja sein, dass
die Nichte arbeitet. Wir sollten es später noch einmal versuchen«, sagte
Christoph. Dann fuhren sie zur Dienststelle zurück.
    Vom Büro aus fragte
Christoph im Krankenhaus nach. Dort war die Patientin nicht angekommen. Man
hatte sich über ihr Fernbleiben schon gewundert, da sie sonst gewissenhaft ihre
Termine wahrnahm.
    »Frau Beckerling
weiß um die Notwendigkeit der Dialyse. Deshalb sind wir sehr erstaunt und
machen uns Sorgen«, sagte die Mitarbeiterin der »Klinik

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