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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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keine Taxe
zur Hauke-Haien-Residenz gefahren war.
    »Also ist sie mit
einem privaten Fahrzeug entführt worden«, beschloss Große Jäger.
    »Mir kommt dieses
Altersheim merkwürdig vor. Wir haben erhebliche Zweifel, ob beim Tod Paul
Schüttemanns alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Und jetzt verschwindet
eine alte Frau.«
    Statt einer Antwort
sahen sich Christoph und Mommsen an, während Große Jäger zum Wandkalender mit
den Fotos von den schönsten Traumplätzen dieser Welt blickte, die Lippen
spitzte und unschuldig eine leise Melodie pfiff.
    Mommsen sprang von
seinem Arbeitsplatz auf und stürzte an das Fenster, um es weit aufzureißen.
    »Jetzt reicht es
aber«, schimpfte Christoph. »Das war heute das letzte Mal, dass du Blödmann mit
ins Büro gebracht hast. Und dann füttere deinen Hund mit vernünftiger
Tiernahrung, dass wir nicht ständig unter den Verdauungsproblemen deines Köters
zu leiden haben.«
    Der Übeltäter lag
neben Große Jägers Schreibtisch und zuckte nicht einmal mit den Liddeckeln
seiner geschlossenen Augen.
    *
    Der Oberkommissar war mit seinem Hund davongezogen. Es
war ohnehin Mittagszeit. Christoph beschränkte sich auf ein belegtes Brötchen,
das er sich unterwegs besorgt hatte. Auch Mommsen zehrte von Mitgebrachtem.
Beide genossen die Stille und die rauchfreie Luft während Große Jägers
Abwesenheit, als der Beamte vom Empfang den Besuch eines Gastes ankündigte.
Kurz darauf klopfte es zaghaft an der Tür, und erst nach der zweiten
Aufforderung trat Schwester Regina ins Zimmer. Sie nahm auf der vorderen Kante
des Besucherstuhls Platz.
    »Ich habe von meiner Kollegin gehört, dass sich das
Heim weigert, Vermisstenanzeige zu erstatten.«
    »Das ist zutreffend. Gibt es einen triftigen Grund
dafür?«, fragte Christoph.
    Schwester Regina sah auf ihre Finger, die sie unruhig
knetete.
    »Das weiß ich nicht. Was geschieht nun? Wird nach Frau
Beckerling gesucht?«
    »Ohne Vermisstenanzeige sind uns die Hände gebunden.
Die Frau kann sich mit Wissen Dritter an einem anderen Ort aufhalten. Da sind
wir machtlos«, log Christoph.
    Schwester Regina zuckte merklich zusammen. »Das geht
aber nicht. Sie muss unbedingt zur Dialyse. Sonst erleidet sie schwere
gesundheitliche Schäden.«
    »Haben Sie eine Idee, wo sich Frau Beckerling
aufhalten könnte?«
    Die Frau dachte einen Augenblick nach. »Sie ist nie
fort gewesen. Höchstens mal zu einem Tagesausflug mit ihrer Nichte. Manchmal
ist sie auch mit Herrn von Hasenteuffel unterwegs gewesen.«
    »Mit dem Baron? Wie ist das möglich?«
    »Der ist einer der wenigen Bewohner der Residenz, der
ein eigenes Auto hat. Es ist schon ein älteres Modell, ich glaube, ein Opel.
Gelegentlich ist er mit Frau Beckerling zu einer kleinen Ausfahrt gestartet.
Das waren aber nur Halbtagstouren.«
    »Darüber hinaus hatte die alte Dame keine weiteren
Kontakte?«
    Schwester Regina schüttelte heftig den Kopf. »Nein.
Sie hat, wie viele andere unserer Heimbewohner, wenig Kontakte. Manche bekommen
überhaupt keinen Besuch mehr. Wie der alte Herr Schüttemann. Oder auch der Herr
von Hasenteuffel.«
    Christoph sah es der Frau an, dass sie Mitleid mit
ihren Schützlingen hatte.
    »Sie sind sehr engagiert.«
    Ihr offener Blick fixierte Christoph. »Mich lässt das
Schicksal der alten Menschen nicht kalt. Was wird aus uns, wenn wir einmal als
nicht mehr brauchbar abgestellt werden? Schüttemann hatte keine Angehörigen
mehr. Die Ehefrau und die beiden Kinder sind vor ihm verstorben. Niemand hat
sich um den alten Mann gekümmert. Dazu die Schmerzen … Er mochte zum Schluss
nicht mehr. ›Warum holt mich der liebe Gott nicht endlich?‹, hat er oft
gefragt.«
    Regina beugte sich zu Christoph vor und senkte ihre
Stimme. »Ich würde vieles darum geben, wenn es vorbei wäre, hat er mir einmal
anvertraut. In der letzten Zeit hat er nur noch vom Tod gesprochen. Früher, als
es ihm noch besser ging, hat er mir immer von seiner Arbeit als Schiffbauer auf
der Husumer Werft erzählt. Darauf war er richtig stolz, auch wenn er manchmal
schon ein bisschen tüdelig war und dieselbe Geschichte am nächsten Tag wieder
von sich gegeben hat.«
    »Wer könnte vom Tod des alten Mannes profitiert
haben?«
    Die Schwester sah Christoph mit großen Augen an. »Das
klingt ja entsetzlich! So etwas mag ich nicht glauben.«
    »Nach Ihrer Darstellung hat sich Paul Schüttemann den
Tod gewünscht, weil er in ihm eine Erlösung sah. Im weitesten Sinne hat er also
von seinem Ableben profitiert. Wer

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