Todeshaus am Deich
zweifelhafte Behandlungserfolge
gehört?«
Der Arzt schien
entrüstet. »Sie haben eine sonderbare Vorstellung von unserer Arbeit. Sagt
Ihnen der Eid des Hippokrates etwas?«
»Wenn wir nur an das
Gute im Menschen glaubten, wären wir in unserer Tätigkeit absolut
erfolglos«, erwiderte Christoph.
Dr. Hinrichsen
atmete hörbar durch.
»An mich ist nie
auch der Hauch eines Zweifels an der Behandlung durch die Kollegin
herangetragen worden.«
»Und was wissen Sie
über das persönliche Umfeld von Dr. Michalke?«
»Privat habe ich
gehört, dass Dr. Michalke seit ewiger Zeit mit dem Inhaber einer unserer großen
Apotheken liiert ist. Die beiden wohnen in – sagen wir mal – nicht gerade
beengten Wohnverhältnissen in Schobüll. Reicht das?«
Aus dieser Auskunft
ergaben sich keine verwertbaren Ansätze. Christoph verstand, dass Dr.
Hinrichsen ein wenig ungehalten wirkte. Welcher Arzt traute seinem Berufsstand
schon Böses zu. Andererseits war das Vertrauen der Medizinmänner höchst
begrenzt, wenn sie sich selbst als Patient in Behandlung begeben mussten. Dann
wuchs plötzlich der Zweifel an der uneingeschränkten Befähigung des Kollegen.
Mommsen war gerade
mit seiner telefonischen Recherche fertig, als Große Jäger ins Büro polterte.
»Fangt ihr immer so
spät an zu arbeiten?«, brummte er und ließ sich schwer auf seinen Bürostuhl
fallen. Dann legte er die Füße auf die heraushängende Schreibtischschublade.
»Ich habe vier«,
erklärte er und sah Mommsen an. »Und du?«
»Mir liegen sechs
Sabrinas vor«, antwortete der junge Kommissar.
Die beiden setzten
sich zusammen, um ihre Ergebnisse abzustimmen. Mommsen suchte anhand der
Adressen die Telefonnummern heraus, weil die meisten Sabrinas noch bei ihren
Eltern wohnten und nicht im Nummernverzeichnis registriert waren.
Drei Namen konnten
sie nach der ersten Telefonaktion von ihrer Liste streichen. Eine Sabrina war
verheiratet und hatte zwei Kinder. Eine zweite lebte als Studentin in Hamburg,
wie ihre Mutter erklärte, und war seit drei Wochen nicht mehr in Husum gewesen.
Die dritte junge Frau war eine fünfzehnjährige Schülerin, die krank daheimlag
und von ihren Eltern gepflegt wurde. Die anderen sieben waren zu dieser Stunde
telefonisch nicht erreichbar.
Auch wenn sie
Thorben Althoff noch nicht gefunden hatten, gab es die ersten Zeichen, die auf
seine Spur wiesen, stellte Christoph erleichtert fest.
Es blieben genug
andere offene Fragen.
Christoph wurde
durch Thomas Friedrichsen unterbrochen, der ins Büro kam.
»Die drei Männer,
mit denen ihr am Sonnabend die Auseinandersetzung in der Disco hattet, sind der
Polizei bekannt. Es handelt sich um Leute aus Kasachstan, die von Neumünster
rübergekommen waren, um die Provinz aufzumischen. So die wörtliche Begründung
für ihren gewalttätigen Auftritt. Sie sind schon öfter wegen verschiedener
Straftaten aufgefallen. Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Verstöße gegen das
Betäubungsmittelgesetz. Den Dritten haben wir nach Feststellung der Personalien
wieder laufen lassen. Für die beiden anderen liegt uns inzwischen ein
Haftbefehl vor. Es war überhaupt kein Problem, vom Richter die Unterschrift zu
bekommen.«
»Da sind wir den
Richtigen begegnet«, warf Große Jäger ein. »Ich mag nicht daran denken, wie die
Sache ausgegangen wäre, wenn wir nicht zufällig in der Disco gewesen wären und
sich diese auf Krawall gebürsteten Typen einen anderen Unschuldigen als Opfer
ausgeguckt hätten. Gegen solche Figuren hat doch keiner eine Chance. Ich
verstehe nicht, weshalb diese Leute sich erst lange Jahre darum bemühen, aus
Sibirien hierherzukommen, um dann durch kriminelle Machenschaften aufzufallen.«
»Das solltest du
nicht verallgemeinern«, versuchte Christoph die Erregung des Oberkommissars zu
bremsen. »Schließlich gibt es auch andere Beispiele. Denk einmal an Irina
Schmidt, die allseits beliebte Babuschka aus der Seniorenresidenz. Jugendliche
mit solch krimineller Energie sind die Ausnahme.«
»Trotzdem«, blieb
Große Jäger stur. »Was haben Neumünsteraner hier überhaupt zu suchen?« Er
zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »Neumünster? Das ist doch
Holstein? Was wollen die hier bei uns?«
»Du weißt doch: Schleswig-Holstein – up ewig ungedeelt«, erinnerte ihn Christoph. »Ich habe
noch niemanden gehört, der von uns als ›Bindestrich-Land‹ gesprochen hat, wie
es zum Beispiel in deiner Heimat zu hören ist.«
Große Jäger
verschränkte die Arme vor der Brust und
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