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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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zurückwich.
    »Bestie«, rief sie
ihm nach, als er den Raum verließ.
    *
    Große Jäger verließ das Gebäude der Polizeidirektion,
überquerte die Poggenburgstraße und steuerte den schräg gegenüberliegenden Bahnhof
an.
    Gemessen an der Einwohnerzahl wurde Husum von relativ
vielen Zügen angefahren. Es waren überwiegend Nahverkehrsverbindungen nach St.
Peter-Ording sowie in nördlicher Richtung nach Sylt oder im Süden bis Itzehoe.
Natürlich hielten auch die Züge des Regionalexpress hier, der für die schnelle
Verbindung der Mittelzentren in Schleswig-Holsteins Westen sorgte. Seltener
waren die Intercityzüge, die vom mondänen Sylt in den Süden Deutschlands
verkehrten. Und eine private Bahngesellschaft hatte vor einigen Jahren
erfolgreich eine Direktverbindung quer durch das Land bis ins ferne Kiel
reaktiviert.
    Während in den Großstädten die Bahnhöfe häufig
Brennpunkte der Kriminalität und Sammelpunkt der Außenseiter der Gesellschaft
waren, litten die Bahnstationen kleinerer Orte häufig unter Zerstörungswut und
Verunreinigungen und entwickelten sich oft zum größten stinkenden Urinal des
Ortes.
    Das war in Husum anders. Der Bahnhof war ein
ansehnliches Schmuckstück der Stadt.
    »Das liegt daran, dass ich gegenüber am Fenster sitze
und das Geschehen im Blick habe«, hatte Große Jäger dieses Phänomen einmal
erklärt.
    Es waren eine Handvoll Leute in der kleinen Halle
unterwegs. Aus dem Reisezentrum, wie der Fahrkartenschalter jetzt großspurig
hieß, kamen zwei junge Leute mit Rucksäcken. Gegenüber, auf der linken Seite,
befand sich neben der Bahnhofsbuchhandlung ein kleiner Imbiss. Davor standen
zwei Männer, denen der zwangsverordnete Müßiggang von Weitem anzusehen war. Es
war die Sorte Menschen, die den Tag an Orten zubrachten, wo sie auf
Gleichgesinnte stießen, um die Zeit damit zu verbringen, Leuten
hinterherzusehen, die den Tag noch mit Arbeit ausfüllen durften.
    Beide hielten lässig Bierflaschen in den Händen, einer
sogar zwei. Große Jäger steuerte auf die beiden zu.
    »Moin.«
    Wie im Chor ließen die Männer ein ebenso gedehntes
»Moin« als Antwort hören.
    »Steht ihr schon lange hier?«, fragte Große Jäger.
    Die beiden musterten ihn, bevor sich einer zu einer
Antwort bequemte.
    »Wieso? Is das nich erlaubt?«
    »Doch. ‘türlich. Ich frag nur, weil ich ‘nen Kumpel
such.«
    Erneut wurde Große Jäger einer gründlichen
Inaugenscheinnahme unterzogen. Es war eine der wenigen Gelegenheiten, wo sich
sein eigenes Outfit der Situation perfekt anpasste. Die Prüfung durch die
beiden Biertrinker schien positiv ausgefallen zu sein.
    »Der soll hier sein?«, fragte der zweite.
    »Genau weiß ich das nich. Deshalb frag ich ja.«
    Große Jäger wollte den Männern kein Bild Althoffs
zeigen. Dann hätten sie instinktiv gewusst, dass er nicht zu ihnen gehörte, und
möglicherweise gemauert.
    »Wen suchst du denn?«
    Große Jäger ließ sich Zeit und kramte die zerknitterte
Zigarettenpackung aus der Tasche. Er bot den beiden eine Zigarette an. Die drei
inhalierten tief. Mit einem angedeuteten Kopfnicken wies einer der beiden zur
Verkäuferin des Imbissstands.
    »Die Olsch da drin sieht das nich so gern, wenn hier
gequalmt wird.«
    Dann herrschte wieder Schweigen. Große Jäger wusste,
dass keiner die Frage, die er ihnen gestellt hatte, vergessen hatte. Aber
niemand an diesem Ort hatte es eilig. Die Antwort lief nicht weg.
    »Ich such Thorben«, merkte der Oberkommissar fast
beiläufig an.
    Erneut zogen die drei an ihren Zigaretten und sahen
einer Mutter mit zwei Kindern nach, die bemüht war, ihren aufgeregten Nachwuchs
zu bändigen.
    »Hast Dusel. Der is hier.« Der Jüngere hielt die
zweite Flasche Bier hoch, die er in der Hand hielt. »Is seine.« Dann griente
er. »Was willst denn von ihm?«
    »Was Privates«, antwortete Große Jäger. Obwohl er
schon viele Jahre hier lebte, traf er den breiten gedehnten Tonfall der
Einheimischen immer noch nicht ganz.
    Es folgte erneutes Schweigen. Schließlich zeigte der
Mann mit den beiden Bierflaschen auf den Ausgang.
    »Musst schnell sein, wenn Thorben was verklarn willst.
Der hat dich gesehn. Nun is er gerade stiften gegang’n.«
    Große Jäger rannte zum Ausgang. Parallel zur Bahn sah
er zur rechten Hand einen jungen Mann davoneilen. Er versuchte, ihm zu folgen,
bemerkte aber nach wenigen Schritten, wie sich der Abstand zwischen ihm und dem
Flüchtigen merklich vergrößerte. Er hielt an, holte sein Handy hervor und
verständigte die

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