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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Dafür könnten die gelben Augen sprechen. Und der aufgedunsene
Körper. Es sieht aus wie akutes Nierenversagen. Dagegen sprechen aber die
Merkmale an den Armen. Ich tippe darauf, dass die Frau Dialysepatientin war und
die dringend notwendige Blutwäsche unterblieben ist. Bedauere, aber mehr kann
ich im Moment nicht sagen.«
    Der Arzt und seine beiden Assistenten verabschiedeten
sich, während Christoph in der Praxis von Dr. Hinrichsen anrief. Er hatte
unterstellt, dass der Arzt noch im Dienst war. Seine Vermutung trog nicht.
    Anna klang fast ein wenig enttäuscht, als sie
feststellen musste, dass Christophs Anruf nicht ihr, sondern dem Doc galt.
    Der Arzt versprach, in Kürze zum Fundort der Toten zu
kommen. Anschließend versuchte Christoph, Große Jäger zu erreichen. Der
Oberkommissar hatte sein Handy abgeschaltet, sodass Christoph sich darauf
beschränken musste, ihm eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen.
    Bei Mommsen wurde abgenommen. Karlchen zeigte sich
enttäuscht, dass »sein Harm« zu dieser Stunde wieder dienstlich abberufen
wurde. Mommsen versprach, umgehend zu kommen.
    Christoph war sich nicht sicher, wie er diesen Fall
einschätzen sollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war Trude Beckerling an einer
natürlichen Todesursache verstorben, wenn man ihr Fernbleiben von der
lebensnotwendigen Dialyse so bezeichnen wollte. Trotzdem gab es
Ungereimtheiten. Wer hatte die alte Frau von der Blutwäsche abgehalten? Sie
wusste, dass diese Maßnahmen absolut notwendig war. Die zweite Frage war, wie
sie in diese Wohnung gekommen war.
    Christoph durchfuhr es siedend heiß, dass die Beamten
ahnungslos an der Wohnung geklingelt hatten, während hinter der Tür Trude
Beckerling womöglich dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen war.
    Nachdenklich kehrte er ins Wohnzimmer zurück.
    »Wann haben Sie Ihre Tante gefunden?«, fragte er
Saskia Willich, die immer noch geistesabwesend auf dem Sofa saß.
    Die Frau sah ihn eine Weile verständnislos an, bevor
sie antwortete.
    »Vor etwa einer halben Stunde«, stammelte sie.
    »Da sind Sie nach Hause gekommen?«
    »Ja.«
    »Waren Sie länger abwesend?«
    Sie nickte stumm.
    »Wie lange?«
    Sie formte mit ihren Lippen die Antwort, bekam aber
keinen Ton heraus. Erst nachdem sie sich mehrfach geräuspert hatte, sagte sie
leise: »Ich war eine Woche nicht hier.«
    »Sie waren verreist?«
    Erneut nickte sie.
    »Wir benötigen Ihre Urlaubsanschrift. Waren Sie in
einem Hotel?«
    »Nein«, kam es zaghaft über ihre Lippen.
    »Bei Freunden?«
    Saskia Willich sah Christoph mit großen Augen an. Ganz
vorsichtig schüttelte sie den Kopf.
    »Sie sind am vergangenen Sonnabend in Husum gesehen
worden«, hielt Christoph ihr vor.
    Jetzt war Erstaunen in ihren Augen zu sehen.
    »Allerdings waren Sie nicht im Dienst. Auf dem
Finanzamt hat man uns informiert, dass Sie Urlaub genommen hätten.«
    »Woher wissen Sie das?«, stammelte sie. »Spionieren
Sie hinter mir her?«
    »Sie waren uns als einzige Angehörige genannt worden,
als Ihre Tante spurlos aus dem Altersheim verschwunden war. Wir haben die alte
Dame überall gesucht, selbst über Radio und die Presse. Auch an dieser
Wohnungstür haben wir mehrfach vergeblich geklingelt.«
    »Ich sagte schon, ich war nicht da«, verteidigte sie
sich schwach.
    »Das klingt für mich nicht sehr logisch. Sie waren in
Ihrer Heimatstadt, wurden dort gesehen, aber behaupten, seit über einer Woche
nicht in Ihrer eigenen Wohnung gewesen zu sein, in der Ihre Tante starb.«
    Tränen füllten die Augen der Frau. Verstohlen
versuchte sie, diese mit dem Hemdsärmel fortzuwischen.
    »Wo waren Sie?«, hakte Christoph nach.
    Sie presste die Lippen aufeinander und schwieg.
    »Haben Sie Ihre Tante aus der Seniorenresidenz in Ihre
Wohnung geholt?«
    »Nein! Natürlich nicht«, gab sie trotzig zur Antwort.
    Christoph stand auf und untersuchte das Schloss der
Wohnungstür. Es wies nach oberflächlicher Inaugenscheinnahme keine Spuren von
Gewaltanwendung auf.
    »Wie ist Ihre Tante in die Wohnung gekommen?«, fragte
er, nachdem er ins Wohnzimmer zurückgekehrt war.
    »Keine Ahnung«, flüsterte sie. »Sie hatte einen
Schlüssel, von dem sie allerdings nie Gebrauch gemacht hat. Wie hätte sie mit
ihrer Gehbehinderung auch hierherkommen können? Es war mehr eine symbolische
Geste. Der Schlüssel diente mir eher als Ersatz, falls ich meinen verloren
hätte.«
    Der anwesende Streifenpolizist räusperte sich. »Auf
der kleinen Anrichte im Flur haben wir ein Bund mit zwei

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