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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Kreisverwaltung sah er die beiden Hochhäuser an der
Adolf-Brütt-Straße. Ein Schauder durchlief ihn, als er sich erinnerte, wie vom
Dach des vorderen Hauses der junge Fabian Auhagen in den Tod gestürzt war.
    Husum war eine ungemein liebenswerte Stadt. Trotzdem
gab es für Christoph schon eine ganze Reihe von Örtlichkeiten, die sich mit der
Erinnerung an Mord und andere Vergehen verbanden. Es war wohl das Karma eines
Polizisten, dass er nicht nur den Reiz des Ortes wahrnahm, sondern auch das
Dunkle hinter den Fassaden kannte.
    Die Ampel an der nächsten Kreuzung zeigte Rot.
Christoph ließ seinen Volvo langsam ausrollen und hielt als zweites Fahrzeug,
als sein Handy klingelte. Er dachte zuerst an Anna, sah dann aber im Display in
seinem Armaturenbrett, dass es die Leitstelle war.
    »Wir haben von der Streife einen ungeklärten Todesfall
gemeldet bekommen«, erklärte ihm der Beamte aus der Zentrale, nachdem Christoph
sich gemeldet hatte.
    »Wo?«
    »In der Kreuzerstraße.« Es folgte die Hausnummer. »Bei
Willich.«
    »Danke, ich kenne die Anschrift«, erwiderte Christoph.
An der Tür von Saskia Willich, der Nichte der verschwundenen Frau Beckerling,
hatte er schon vergeblich geklingelt.
    Es war grün geworden, und sein Hintermann hatte
bereits wütend gehupt. Christoph setzte den linken Blinker, um abzubiegen,
obwohl er sich auf dem Geradeaus-Fahrstreifen befand. Er musste in der
Kreuzungsmitte halten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Das gab seinem
Hintermann Gelegenheit, neben ihm zu halten, die Scheibe auf der Fahrerseite
abzusenken, ihm einen Vogel zu zeigen und zu schimpfen. »Blöder Idiot.
Kieler!«, fügte der Erboste hinzu. Christophs Wagen war immer noch in der
Landeshauptstadt zugelassen.
    Christoph bog in die Schobüller Straße ab, die durch
diesen kleinen Ort über den Damm weiter auf die Insel Nordstrand führte, und
überquerte die Eisenbahngleise Richtung Sylt. Direkt dahinter lag die Siedlung,
in der Saskia Willich wohnte.
    Vor dem Wohnblock, in dem die Frau ihr Domizil hatte,
standen ein Streifenwagen und der Notarztwagen. Christoph parkte hinter dem
Polizeiauto und ging ins Treppenhaus. Auf den Stufen standen die anderen Mieter
und tauschten aufgeregt Gerüchte aus. Die Wohnungstür war verschlossen. Auf
sein Klingeln hin öffnete einer der uniformierten Kollegen und ließ ihn ein.
    Aus dem Wohnzimmer drang leises Murmeln. Der zweite
Streifenbeamte unterbrach die Befragung bei Christophs Erscheinen.
    Christoph stutzte. Er kannte Saskia Willich. Es war
die Frau, die sich am vergangenen Sonnabend mit von Hasenteuffel-Stichnoth vor
dem Husumer Rathaus getroffen hatte und der Anna ins Café Jacqueline gefolgt
war.
    Der Beamte der Schutzpolizei stellte Christoph vor.
    »Das ist Hauptkommissar Johannes von der Kripo.« Dann
erläuterte der Kollege mit wenigen Worten, was er bisher erfahren hatte.
    »Frau Willich ist die Wohnungsinhaberin. Sie ist heute
in ihre Wohnung zurückgekehrt und hat ihre Tante hier vorgefunden. Da Frau
Beckerling nicht ansprechbar war, hat Frau Willich sofort den Rettungsdienst
informiert. Der Notarzt konnte nur noch den Tod der alten Dame feststellen.«
Der Beamte tippte auf sein Notizbuch. »Ich habe die Personalien von Frau
Willich bereits aufgenommen.« Er sah Christoph an. Dann wies er mit dem Kopf in
Richtung Zimmertür. »Die Tote liegt nebenan.«
    Das Schlafzimmer ging schräg gegenüber vom kleinen
Flur ab. Der Raum war in hellem Birkenholz gestaltet. Eine großzügige Liege,
einem Futon ähnelnd, bildete den Mittelpunkt. Ein knapp bemessener
Kleiderschrank, eine Regalwand, die geschickt durch mit Türen verschlossene
Elemente unterbrochen wurde, ein kleiner Arbeitsplatz, der nur bei sehr
großzügiger Einschätzung als Schreibtisch bezeichnet werden konnte, und ein
bequemer Segeltuchsessel mit einer modernen Stehlampe, die als großer Bogen
ausgebildet war, befanden sich darin. Der Unterhaltung diente neben dem
Flachbildfernseher die kompakte B&O-Stereoanlage. Saskia Willich schien
Geschmack zu haben. Davon zeugten auch die Drucke an den Wänden.
    Den behaglichen Eindruck störte nur die Frau, die quer
über dem Bett lag. Der Notarzt, zwei Rettungsassistenten und der zweite Beamte
der Streifenwagenbesatzung sahen auf, als Christoph eintrat.
    »Die Frau ist tot«, erklärte der Arzt. »Die
Todesursache lässt sich nur erahnen. Ich gehe, aber ohne Gewähr, von einer
Vergiftung aus. Es hat den Anschein, als wäre sie an einer Harnstoffvergiftung
gestorben.

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