Todeshaus am Deich
durchgehend
eine nervöse Anspannung die Mienen der Männer. Erst als der Vietnamese
ergänzte: »Es sind gute Leute. Freunde. Sie kommen wegen Thorben«, löste sich
die Verkrampfung.
Große Jäger hob beide Hände und ähnelte einem
Indianerhäuptling bei einer wichtigen Rede, wie man es in unzähligen
Winnetoufilmen gesehen hat.
»Wir sind Herrn Tho sehr dankbar, dass er uns geholfen
hat«, begann der Oberkommissar und erklärte, dass man Thorben Althoff dringend
als Blutspender für einen kleinen Jungen suchte. Nichts anderes hätte die
Polizei im Sinn. Er sprach von Blutspende, weil ihm die Vokabeln für den
tatsächlichen medizinischen Sachverhalt auf Englisch fehlten. Nachdem er
geendet hatte, herrschte betroffenes Schweigen, bis einer der Schwarzen das
Wort ergriff. Er stellte sich als Jimbo vor.
»Klar, Herr Inspektor, wir alle hier«, dabei ließ er
seine Hand kreisen und schloss die anderen aus der Runde wie selbstverständlich
mit ein, »sehen es als große Ehre an, dem deutschen Kind zu helfen. Vielleicht
haben wir eine Idee«, dabei tippte er sich an die Stirn, als würde er eine
beleidigende Geste ausführen, »aber die müssen wir noch beratschlagen. Unser
Freund Hoang wird Sie informieren, wenn wir etwas herausgefunden haben.« Jimbo
verneigte sich andeutungsweise. »Es ist uns eine große Ehre, dass Sie uns um
Hilfe bitten«, versicherte er erneut.
Mit einem Dank verabschiedeten sich die beiden
Beamten. Sie hatten die Wohnung noch nicht verlassen, als in ihrem Rücken das
lautstarke Palaver wieder einsetzte. Große Jäger war es rätselhaft, wie man
sich überhaupt unterhalten konnte, wenn alle durcheinandersprachen.
»Ich habe Hunger«, erklärte er auf der Treppe und sah
über die Schulter zu Hilke zurück.
»Du kannst essen gehen, nachdem du mich an der
Dienststelle abgesetzt hast.«
Große Jäger schüttelte energisch den Kopf.
»Kommt nicht infrage. Du kommst jetzt mit mir. Punkt.«
Er konnte das Schmunzeln auf Hilkes Gesicht in seinem
Rücken nicht sehen.
»Gibt es eine Chance, ein bürgerliches Ziel
anzusteuern?«, lenkte sie vorsichtig ein.
»Was soll das heißen? Schließlich wartet Blödmann im
Auto. Der muss auch mit«, erinnerte der Oberkommissar an seinen Hund, den er
nicht auf der Dienststelle hatte lassen können.
Stumm fügte sich Hilke in ihr Schicksal.
*
Unmerklich hatte sich der Himmel mit dünnen
Schleierwolken zugezogen. Jetzt zeigten sich schon die ersten dunklen Schatten
an einigen Stellen.
Christoph ließ den Wagen mit mäßiger Geschwindigkeit
durch das weite Grün rollen. Sie hatten die restliche Wegstrecke auf dem Deich
schweigend zurückgelegt. Zu gern hätte er gewusst, was hinter der Stirn des
hochgewachsenen Mannes an seiner Seite vorging. Aber von Hasenteuffel wirkte
wie verschlossen. Mit federnden Schritten war er zügig zum Auto gegangen und
hatte weder beim Einsteigen noch auf der Fahrt einen Ton von sich gegeben.
Die Stille wurde durch den schrillen Klingelton eines
Handys unterbrochen. Der Baron, durch den Sicherheitsgurt in seiner
Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, musste allerlei Verrenkungen verrichten, bis
er sein Mobiltelefon aus einer seiner Taschen hervorgeholt hatte. Mit
ausgestrecktem Arm hielt er das Gerät weit von sich und versuchte, die Meldung
auf dem Display zu lesen.
»Ich habe Sie noch nie mit Brille gesehen«, sagte
Christoph.
Von Hasenteuffel hatte die Augen zusammengekniffen und
blinzelte auf die kleine Mattscheibe.
»Ich komme noch sehr gut ohne aus«, erklärte er, »nur
bei manchen Dingen muss man den Jahren Tribut zollen.« Er lehnte sich entspannt
im Polster zurück. »Unsere Gesellschaft wird immer älter. Die kaufkräftige
Schicht der Senioren ist aber von der Wirtschaft noch nicht entdeckt worden.
Warum ist die Anzeige auf diesen Dingern so klein?« Er schwenkte sein Handy
durch die Luft. »Und über die Tasten ärgere ich mich auch. Vielen älteren
Menschen kommt es nicht darauf an, ein möglichst kleines Gerät am Ohr zu
halten. Wenn sie aber die Tastatur nur noch mit dem Nagel berühren können, weil
sie zu klein für die Fingerkuppe ist, dann läuft da etwas schief.«
»Sie erwecken nicht den Eindruck, als hätten Sie sich
vom technologischen Fortschritt abgekoppelt.«
Von Hasenteuffel lachte trocken auf.
»Ich bemühe mich, die Dinge zu verstehen. Zugegeben,
man kann bei der Rasanz der Entwicklung nicht auf allen Gebieten gleichermaßen
Schritt halten. Dass man aber die Senioren als dumm verkauft und
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