Todeshaus am Deich
Kneipengänger und Jugendliche bei der Suche
nach Althoff helfen. Und wie hast du den Tag verbracht? Du warst im Altersheim?
Hast du dir einen Platz reservieren lassen?«, schloss er seine Ausführungen.
Christoph berichtete von seinem Deichspaziergang mit
von Hasenteuffel-Stichnoth.
»Das sind die Privilegien eines Hauptkommissars«,
lästerte Große Jäger. »Die niederen Chargen quälen sich durch das Gekrümel des
Alltags, und du stimmst dich auf das Seniorendasein ein – Besuch im Altersheim
und eine Deichwanderung. Und das an einem Dienstag. Solche Privilegien werden
mir nicht zuteil.«
»Das sehe ich ganz anders.« Christoph wies mit dem
Zeigefinger auf Blödmann, der neben dem Schreibtisch döste. »Deine Arbeitszeit
mutiert zu einem permanenten Zoobesuch. Während andere Menschen hart arbeiten,
verbringst du deinen Tag beschaulich inmitten wilder Tiere.«
»Haha«, dröhnte Große Jägers Bass durch den Raum.
»Diese Interpretation ist wieder einmal typisch für einen hergereisten Kieler. Ich muss mich nicht nur in meiner karg bemessenen Freizeit mit dem Tier
beschäftigen, sondern auch noch von meinem Hungersalär für dessen Unterhalt
sorgen. Und das, obwohl Blödmann ein Polizeihund ist.«
Dann lachte Große Jäger laut und zeigte dabei zwei
Reihen gelber Zähne. »Und was denkst du nun über diesen Kaninchensatan?« Als er
bemerkte, dass Christoph ihn ratlos ansah, erklärte er: »Dieser Hasenteuffel.«
»Ich bin mir nicht sicher. Das ist ein merkwürdiger
Mann. Zweifellos gebildet und intelligent. Es ist mehr ein Gefühl, denn
beweisen kann ich nichts. Aber hinter von Hasenteuffel steckt vielleicht mehr.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass er mit uns spielt. Mit mir. Warum hat er
mir sonst vorgehalten, ich hätte nur einen Dienstrang, der dem des Hauptmanns
entsprechen würde? Er hingegen sei Oberst gewesen. Spielt er auch mit anderen?
Mit den Leuten in der Seniorenresidenz? Mit dem Personal?«
Große Jäger winkte ab. »Was sollte dahinterstecken? Im
Augenblick stehen wir noch allein mit unserem Verdacht, bei den Todesfällen
würde Fremdverschulden vorliegen. Klassische Motive wie Geldgier, Hass, Liebe,
Eifersucht – die liegen doch offensichtlich nicht vor.«
»Geldgier? Wenn Trude Beckerling etwas hinterlassen
sollte, dann wäre ihre Nichte die Nutznießerin.«
»Wenn!«, unterbrach Große Jäger.
»Sagte ich! Da wäre das Motiv Geldgier. Wir wissen,
dass sich Saskia Willich und von Hasenteuffel kennen. Der Mann ist außerdem
kein Frauenverächter gewesen. Wenn er der Nichte bei der Beseitigung der Tante
behilflich war?«
»Das ist doch lächerlich«, protestierte Große Jäger.
»Der Knabe ist mehr als dreißig Jahre älter.«
Christoph hob den Zeigefinger. »Gerade das könnte doch
ein Anreiz für ihn sein. Und sie könnte diesen Altersunterschied nutzen,
um damit zu spielen, sich selbst als vermeintliches Ziel anbieten. Es wäre
nicht das erste Mal in der Kriminalgeschichte, dass jemand solchen Verlockungen
erliegt und sich zum Handlanger des Todes machen lässt.«
»Und was hat der erste Tote, Paul Schüttemann, damit
zu tun?«, warf Große Jäger ein. »Nun sag nicht, der Zweiundneunzigjährige wäre
ein potenzieller Nebenbuhler des Kaninchensatans gewesen.«
Christoph zog es vor, nicht zu antworten. Große Jäger
wählte oftmals, wenn er anderer Auffassung war, drastische Beispiele, gegen die
man nur schwer argumentieren konnte.
Ihre Diskussion wurde durch Mommsen unterbrochen, der
zurückkehrte.
»Deiner Miene entnehme ich, dass du eine neue Freundin
gefunden hast«, begrüßte ihn Große Jäger.
Mommsen zog eine Augenbraue in die Höhe.
»Darf ich mir erst einen Tee einschenken?«, fragte er
über den Schreibtisch hinweg.
Große Jäger schlürfte lautstark aus einem Kaffeebecher
und spülte das kalte Gebräu geräuschvoll im Mund, bevor er antwortete.
»Wozu? Du solltest dir ein Beispiel an deinen älteren
Kollegen nehmen. Die kommen auch nie ins Büro gestürzt und lechzen zuerst nach
einem Kaffee.« Dann beobachtete er grinsend den jungen Kommissar, der sich in
aller Ruhe einen Tee bereitete. Nachdem sich Mommsen am Schreibtisch gegenüber
dem Oberkommissar niedergelassen hatte, hielt der ihm die zerknautschte
Zigarettenpackung hin. »Echte Roman- oder Filmdetektive rauchen jetzt erst mal
eine.«
»Teufel«, wehrte Mommsen ab und sah dann Christoph an.
»Frau Beckerlings Nichte ist vierzig Jahre alt. Sie ist polizeilich noch nie in
Erscheinung getreten. Selbst in
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