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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Ist er allein hinausgegangen?« Younger wurde allmählich ungehalten.
    »Aber nein, Sir. Sie waren doch bei ihm.«

3
    D er Anschlag vom 16. September 1920 war nicht nur das tödlichste Bombenattentat in der hundertfünfzigjährigen Geschichte des Landes, sondern auch das rätselhafteste. Wer würde so weit gehen, an einem der verkehrsreichsten Plätze New Yorks zu einer besonders belebten Zeit fünfhundert Pfund Sprengstoff zu zünden?
    Nur ein Wort vermochte laut New York Times die Menschen zu beschreiben, die diese verwerfliche Tat begangen hatten: Terroristen . Die Washington Post erklärte den Anschlag gar zur »Kriegshandlung« und verlangte einen umgehenden Gegenangriff der US Army. Aber gegen welches Land, welche Nation, welchen Feind? Darauf gab es keine Antwort. In dieser Hinsicht war das Attentat auf der Wall Street nicht nur furchterregend, sondern auch furchterregend vertraut.
    Fünfzehn Millionen Menschen waren im Großen Krieg umgekommen, eine Zahl, die jede menschliche Vorstellungskraft überstieg. Doch trotz dieses bestürzenden Blutzolls blieb der Krieg begreiflich. Armeen wurden mobilisiert und demobilisiert. Länder wurden besetzt und Besetzer vertrieben. Männer gingen an die Front und kamen auch wieder zurück. Der Krieg kannte Grenzen. Er kannte ein Ende.
    Doch im Jahr 1920 hatte sich die Welt an eine neue Art von Krieg gewöhnt. Ein Vierteljahrhundert zuvor hatte eine
Welle von politischen Morden eingesetzt: 1894 der Präsident Frankreichs, 1898 die Kaiserin von Österreich, 1900 der König von Italien, 1901 McKinsley, der Präsident der Vereinigten Staaten, 1912 der Premierminister von Spanien und natürlich 1914 ein Habsburger Erzherzog, dessen Tod den großen Weltenbrand auslöste. Attentate an sich waren nichts Neues, doch diese hier waren anders. Denn den meisten von ihnen fehlte ein klares, konkretes Ziel. Sie besaßen nicht einmal die erratische Rationalität eines schwärenden Grolls.
    In bestimmter Weise allerdings waren sie sich alle ähnlich. Sie wurden von armen, zumeist ausländischen jungen Männern begangen, die über schattenhafte internationale Netzwerke miteinander verbunden waren und einer todbringenden Ideologie anhingen, um deretwillen sie freudig den eigenen Untergang in Kauf nahmen. Die Attentate schienen ein Angriff auf alle westlichen Nationen und die gesamte zivilisierte Welt zu sein. Die Täter wurden mit vielen Namen belegt: Anarchisten, Sozialisten, Nationalisten, Fanatiker, Extremisten, Kommunisten. Doch in Zeitungen und öffentlichen Reden gab es einen Oberbegriff, der sie alle vereinte: Terroristen.
    Im Jahr 1919 hatten die Bombenanschläge auf amerikanischem Boden begonnen. Am 28. April wurde dem Bürgermeister von Seattle, der kurz davor einen Generalstreik zerschlagen hatte, ein kleines braunes Päckchen zugestellt. Als Absender war das Kaufhaus Gimbel Brothers vermerkt, und ein handschriftliches Etikett versprach »Neuheit – Warenprobe». Drinnen war ein Holzrohr, das tatsächlich eine Neuheit darstellte. Es enthielt einen Säurezünder und eine Dynamitstange. Die primitive Bombe explodierte nicht.
Doch am folgenden Tag wurde im Haus eines früheren US-Senators eine gleichartige Neuheit abgegeben und riss dem unglückseligen Dienstmädchen, das die Sendung öffnete, die Hände weg.
    Am nächsten Abend erkannte ein Postbeamter beim Lesen der Zeitung in der New Yorker Untergrundbahn, dass er untertags ein Dutzend ähnlicher Pakete bearbeitet hatte. Als er zurück zur Post eilte, stellte er fest, dass die betreffenden Päckchen noch nicht ausgetragen worden waren – wegen unzureichender Frankierung. Letztlich wurden sechsunddreißig solche Paketbomben gefunden, die an eine handverlesene Liste von Persönlichkeiten adressiert waren, unter anderem an John D. Rockefeller und J.P. Morgan.
    Einen Monat später wurden zeitgleich acht verschiedene amerikanische Städte von nächtlichen Explosionen erschüttert. Die Ziele waren Privathäuser — eines Bürgermeisters in Ohio, eines Abgeordneten in Manhattan, eines Richters in New York. Die bei weitem kühnste dieser Attacken richtete sich gegen den Wohnsitz von Justizminister A. Mitchell Palmer in Washington. Doch dem Attentäter unterlief ein Missgeschick. Als er Palmers Eingangstreppe hinaufstieg, detonierte der Sprengsatz in seinen Händen, und die Polizei musste sich mit der Auswertung von verstreuten Körperteilen begnügen.
    Palmer reagierte mit durchgreifenden Razzien, und überall in Amerika, ob bei Tag oder

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