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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Er roch nach rohen Zwiebeln.
    Die beiden Männer unterhielten sich in einer Sprache, die Colette weder verstand noch identifizieren konnte. Der Fahrer hieß offenbar Zelko, der Mann hinten Miljan. Colette schwieg. Über dem linken Auge hatte sie eine leichte Prellung.
    Eine der hinteren Türen öffnete sich. Auf den Rücksitz wurde kopfüber ein Junge gestoßen, dem rasch ein weiterer Mann folgte. Er war größer und etwas besser gekleidet als die anderen zwei, in einen gestreiften Anzug, der einmal
ein anständiges Stück Herrengarderobe dargestellt hatte. Der überaus dichte, schwarze Bart ließ nichts vom Mund erkennen und lag wie ein Gestrüpp unter den nach oben von buschigen Brauen begrenzten Augen. Er schlug die Tür hinter sich zu und bellte Befehle in derselben geheimnisvollen Sprache; die anderen nannten ihn Drobac.
    Offenkundig hatte Drobac angeordnet, den Jungen zu fesseln und loszufahren. Zumindest war es das, was die anderen zwei taten. Colette fragte Luc auf Französisch, ob er verletzt war. Er schüttelte den Kopf. Leise und hastig fuhr sie fort: »Das ist alles bloß ein Irrtum. Sie werden es bald merken und uns freilassen.«
    Miljan spuckte mehrere unverständliche Worte aus, die nach Zwiebel stanken. Mit einem kurzen Ruf brachte ihn Drobac zum Schweigen.
    »Sie können kein Französisch«, flüsterte Colette ihrem Bruder zu. »Den Kasten hat er nicht gefunden, oder? Nicke einfach oder schüttle den Kopf.«
    Drobac knurrte etwas Undeutliches, und Zelko brachte das Automobil ruckartig zum Stehen. »Quelle boîte?«, fragte Drobac. »Was für Kasten?«
    Colette wandte sich von Luc ab und wieder nach vorn; sie richtete den Blick auf die Straße.
    »Was für Kasten?«, wiederholte Drobac.
    »Nichts, nichts — nur der Spielzeugkasten meines Bruders. « Colette sprach zu schnell. »Er macht sich immer Sorgen um seine kostbaren Spielsachen.«
    »Spielzeugkasten, aha.« Drobac packte Luc am Hemdkragen und drückte dem Jungen den Pistolenlauf an den Kopf. Colette schrie. Eine von Zelkos haarigen Händen flog nach oben und versetzte ihr eine Ohrfeige. Drobac hielt die Pistole
weiter gegen die Schläfe des zappelnden Jungen. »Du lügst noch einmal, und ich ihn bringe um.«
    »Bitte, ich flehe Sie an, es ist etwas für Kranke.« Colette zitterte. »Es ist sehr wertvoll — ich meine wertvoll zum Heilen von Menschen. Für Sie hat es keinen Wert. Sie können es nicht verkaufen. Jeder weiß sofort, dass es gestohlen ist.«
    Drobac gab Zelko ein Kommando, der in den Rückwärtsgang schaltete. Sie stießen zurück in die unbeleuchtete Gasse neben dem Bat and Table. Drobac lächelte. Innerlich und unsichtbar tat Colette dasselbe.
     
    A m Empfang des Commodore Hotel erfuhr Younger von dem Angestellten, dass niemand in Miss Rousseaus Zimmer war. Weder die Dame noch ihr Bruder waren zurückgekehrt. »Meinen Schlüssel, bitte.« Younger überlegte, dass sie vielleicht in sein Zimmer gegangen waren.
    »Und wer sind Sie?«, fragte der Rezeptionist.
    »Dr. Stratham Younger.«
    »Natürlich, Sir. Darf ich Sie um einen Ausweis bitten?«
    Younger griff nach seiner Brieftasche, ehe ihm einfiel, dass er sie Colette gegeben hatte. »Ich habe keinen bei mir.«
    »Verstehe. Möchten Sie vielleicht mit dem Direktor sprechen?«
    »Holen Sie ihn«, antwortete Younger.
     
    D ie Auskunft des Angestellten — dass niemand in Miss Rousseaus Zimmer war — traf nicht zu. Zwölf Stockwerke höher stand ein Mann mit dichtem schwarzem Bartgestrüpp und schwarzen Handschuhen vor Colettes offenem Kleiderschrank und betrachtete gereizt einen schweren,
mit Blei ausgeschlagenen, kofferartigen Kasten. Drobac musste einsehen, dass er diesen nicht unbemerkt durchs Foyer und aus dem Hotel tragen konnte. Mit einiger Mühe hob er den sperrigen Behälter aus dem Regal und setzte ihn auf den Boden.
     
    I n dem überladenen Foyer herrschte eine merkwürdige Stille. Unter Palmen und zwischen Marmorsäulen drängten sich die Menschen in angespannten Grüppchen zusammen und flüsterten sich fassungslos zu, wo sie gewesen waren, als sie die gewaltige Explosion an der Wall Street mit eigenen Ohren gehört oder gerüchteweise von ihr erfahren hatten. Es war überall das Gleiche, wie Younger schon auf der Fahrt mit Littlemore hierher aufgefallen war: Die Leute waren wie gelähmt, als würde sich der Nachhall der Katastrophe noch immer in der Stadt verbreiten, den Boden erschüttern und die Luft zum Zittern bringen.
    Er spürte den starken Drang, sie

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