Todesinstinkt
verstehen.«
»Nun, Flynn hat anscheinend was gegen sie in der Hand«, sagte Fall. »Er hat einen Spitzel in ihre Zelle geschleust.«
»Wo hat er diese Idee überhaupt her? Der ist doch nicht schlau genug, um ganz allein so blöd zu sein.«
»Ich hatte gehofft, dass Sie mehr darüber wissen.« Unvermittelt deutete Fall auf ein großes, heruntergekommenes Eckgebäude. »Das Haus hier hat früher einer Madame namens Hall gehört. Hat Piper-Champagner in Kristallgläsern serviert. Reich wie wir Senatoren. Man erzählt sich noch immer Geschichten über ihre Mädels. Nun, es hat sich alles so abgespielt, wie ich prophezeit habe, oder? Sie haben rausgefunden, dass die Russen in den Anschlag verwickelt waren, und Minister Milchbart hat das Ganze begraben.«
»Ich habe nichts über eine russische Beteiligung herausgefunden, Mr. Senator.«
»Wenn die Attentäter auch nur ein paar Barren russisches Metall benutzt haben, um den Zoll zu überlisten, dann ist das eine Verwicklung der Russen. Wie haben die Kerle wohl sowjetisches Gold in die Finger gekriegt? Ich wette, dass die ganze Mannschaft auf diesem schwedischen Dampfer aus Russen besteht.«
»Erfahren Sie eigentlich alles, was ich zu Mr. Houston sage?«
»Ziemlich viel. In dieser Stadt haben die Wände Ohren, Littlemore. Man muss über die anderen Bescheid wissen, um die Nase vorn zu behalten.«
»Es ist nicht sicher, dass sich das gestohlene Gold auf dem schwedischen Schiff befindet«, gab Littlemore zu bedenken.
»Und Houston rührt keinen Finger, um es rauszufinden. Aber ich schon. Ich habe bereits mit Baker gesprochen, dem Kriegsminister. Er redet mit seinem alten Freund Daniels,
dem Marineminister. Binnen achtundvierzig Stunden hat dieser schwedische Ozeandampfer zwei Kriegsschiffe am Hals. Und dann wird sich ja herausstellen, was es mit dieser Fracht auf sich hat.«
Littlemore kaute an seinem Zahnstocher. »Wirklich beeindruckend, Mr. Senator.«
»Wir sind die gottverdammten Vereinigten Staaten von Amerika. Was sollen wir wohl tun, nachdem sie uns die Kacke aus dem Leib gebombt haben? Die Hände ringen? Die andere Wange hinhalten? Hoffen, dass sie von allein verschwinden? « Fall spuckte aufs Pflaster und wischte sich mit einem Taschentuch den Mund ab. Er winkte seinem Chauffeur. »Und die Situation in Mexiko heizt sich auch immer mehr auf. Sie sind zu gierig, diese Mexikaner. Wieso wollen die uns unser ganzes Öl wegnehmen? Da werden noch ernste diplomatische Bemühungen notwendig sein, damit Harding keine Scherereien bekommt.«
»Was wird Harding tun, Sir?«
»Das, was ich ihm sage.« Der Senator stieg in seinen Wagen. »Ich gebe Ihnen Bescheid, was wir auf dem Schwedendampfer finden. Mrs. Cross bringt Sie zurück. Sie sollten Sie näher kennenlernen. Ist nicht so unnahbar, wie sie scheint.«
W ie lang arbeiten Sie schon für Senator Fall?«, fragte Littlemore Mrs. Cross, als sie an ganzen Reihen bunkerartiger Kriegs- und Marinebauten aus Beton vorbeifuhren, die nach offizieller Lesart provisorisch, aber dem Aussehen nach dauerhaft waren.
»Ein paar Jahre. Ich arbeite für mehrere Senatoren. Zum Beispiel auch für Mr. Harding.«
»Für Harding? Ach.«
»Ich mache ziemlich viel für Mr. Harding. Als Leihgabe von Senator Fall natürlich.«
»Möglicherweise landen Sie noch im Weißen Haus.«
»Ich bin schon oft im Weißen Haus gelandet.«
Littlemore ließ sich ihre Bemerkung durch den Kopf gehen. »Haben Sie auch einen Vornamen, Mrs. Cross?«
»Grace.«
»Netter Name, so unschuldig.«
»Die Naivität hab ich längst hinter mir. Jeder, der nach Washington kommt, lässt seine Heimat hinter sich. Da sind wir. Willard Hotel. Gute Nacht, New York.«
A m nächsten Morgen erhielt Littlemore in seinem winzigen Büro in der Treasury einen Anruf. Die Telefonistin teilte ihm mit, dass jemand aus New York am Apparat war. Wie sich herausstellte, war es Officer Stankiewicz aus dem Polizeipräsidium.
»Was ist, Stanky?«
»Es geht um Fischer, Cap. Ruft immer wieder an und schickt Ihnen Telegramme. Er behauptet, dass Sie ihn bald aus dem Sanatorium holen.«
»Ach du Schande«, ächzte Littlemore.
»Er sagt, Sie wollten mit seinem Schwager reden — Bishop heißt er oder so ähnlich. Irgendwelche Anweisungen?«
»Ignorieren Sie ihn einfach, dann hört er schon auf damit.«
»In Ordnung. Wie läuft’s in Washington?«
»Moment mal. Bishop, sagen Sie? Klang der Name wie Bishop, oder hat er Sie an einen Bischof erinnert?«
»Ja, Bishop oder so
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