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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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auf nichts so sehr wie auf ein Kräftemessen und Blutvergießen auf dem Schlachtfeld.
    Vergleichbare Gefühle entstanden auch in den Vereinigten Staaten, vor allem nachdem deutsche Unterseeboote auf hoher See amerikanische Handelsschiffe attackiert hatten. Während Präsident Wilson noch standhaft an der Neutralität festhielt, war das Schlagen der Kriegstrommel immer lauter zu vernehmen.
    Letztlich war es ein deutscher Fehler, der Amerika zum Handeln zwang. Im Januar 1917 telegrafierte Deutschland eine verschlüsselte Botschaft an den Präsidenten von Mexiko, in der eine gemeinsame Invasion der Vereinigten Staaten vorgeschlagen wurde. Mexiko durfte auf die Rückeroberung von Gebieten hoffen, die es an Amerika verloren hatte, und Deutschland versprach sich eine Ablenkung der amerikanischen Streitkräfte. Großbritannien allerdings fing das Telegramm ab, dechiffrierte es und leitete es an Wilson weiter.
Die Vereinigten Staaten erklärten den Krieg, und bald darauf schickte das Land Tag für Tag zehntausend Soldaten auf die Schlachtfelder Europas.
    Dr. Stratham Younger gehörte zu den Ersten, die dort eintrafen. Im Rang eines Lieutenant diente er als Chirurg und Sanitätsoffizier in einem britischen Feldlazarett im Nordwesten Frankreichs.
     
    N ach Littlemores Aufbruch stieg in Younger eine Kriegserinnerung hoch: Colette in einem zerstörten Gebäude, wie sie sich in zwei weiße Handtücher gehüllt – eins um den Oberkörper, das andere ums Haar – über eine Badewanne beugte, aus der heißer Wasserdampf aufstieg. Dabei hatte er sie nie so gesehen.
    In dieser Erinnerung, die keine war, wandte sich Colette mit ängstlichem Blick zu ihm um. Sie wich vor ihm zurück, wie aus Furcht vor einem Angriff, und fragte ihn, ob er es vergessen hatte. Was vergessen?
    Younger schlurfte zum Waschbecken und schob die falsche Erinnerung weg, nur um stattdessen auf ein anderes unscharfes Bild zu stoßen: eine Tafel im Nebel oder Regenschauer, auf die jemand etwas schrieb, aber nicht mit Kreide. Auch diese Erinnerung, wenn es denn eine war, unterdrückte er irritiert. Plötzlich war er sich sicher, dass er dabei war, etwas zu übersehen — etwas unmittelbar vor ihm Liegendes.
    Er wusch sich das Gesicht. Kaum hatte das kalte Wasser seine Augenlider berührt, als es ihm auch schon einfiel.
    Sofort stürmte Younger wieder hinaus auf den dunklen Balkon. Tief unten bemerkte er Littlemore, der auf seinen Wagen wartete, so wie kurz zuvor der Mann im gestreiften
Anzug. Doch diesmal zeigte sein Schrei Wirkung. Mit den Händen rudernd signalisierte er dem Detective, dass er sich nicht von der Stelle rühren sollte.
     
    D urch den Vordereingang des Hotels platzte Younger auf die Forty-second Street. Auf seinen Armen türmte sich ein Haufen hastig zusammengesuchter Gegenstände: eine Gardinenstange, die er vom Fenster gerissen hatte, ein Metallkasten mit Anzeige und Schaltern, zwei lange elektrische Drähte, eine Rolle schwarzes Isolierband und ein zwanzig Zentimeter langes, verschlossenes Glasrohr. Er kauerte sich auf den Gehsteig und legte die Sachen ab. »Wie konnte ich nur so dumm sein?«
    »Ähm, was machen Sie da eigentlich?« Der Detective runzelte die Stirn.
    »Das ist ein Strahlungsdetektor.« Younger verband ein Ende der Drähte mit dem Metallkasten. »Colette wollte ihn bei ihrem Vortrag vorführen.«
    »Schön. Aber im Moment müsste ich mich eigentlich um andere Dinge kümmern, Doc.«
    »Jede Probe aus Colettes Koffer ist radioaktiv.« Der Arzt schloss die Drähte auch von der anderen Seite an. »Das bedeutet, der Wagen zieht eine Spur von radioaktiven Partikeln hinter sich her, wie Brotkrumen. Wir können sie nicht sehen, aber dieser Kasten kann es — wenn wir uns beeilen.«
    Younger legte einen Schalter um. In dem Glasrohr entzündete sich ein gelber Blitz, begleitet von heftigem statischem Prasseln aus dem Kasten. Genauso plötzlich wurde das Rohr wieder dunkel, und der Kasten verstummte.
    »Soll das so sein?«, fragte Littlemore.

    »Eigentlich nicht. Radioaktivität müsste eher einen blauen Strom erzeugen, glaube ich.«
    Younger nahm den Kasten in einen Arm und befestigte das Glasrohr mit Hilfe des Isolierbands an einem Ende der Gardinenstange, die er sodann nach vorn streckte wie eine Wünschelrute. Nichts passierte. Er trat auf die Park Avenue und versuchte es auf dem Asphalt und in der Luft. Im Glas blitzte ein blauer Funke auf. »Da! Ich hab sie.«
    Der Arzt machte einen Schritt nach rechts. Nichts. Dann einen Schritt

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