Todesinstinkt
der über den Boden hüpfte. Miljan war erneut hinter ihr. Er zerfetzte das Oberteil ihres Kleids, und wieder spritzten Knöpfe davon. Dann liebkoste Miljan mit der Mündung der Pistole die weiße Haut zwischen ihren Schulterblättern. Neben Luc drehte sich ein durchsichtiges Knöpfchen wie eine kreiselnde Münze. Was auch immer der Junge empfand, er ließ sich nichts anmerken.
Y ounger stand am Rand des Dachs, den Rücken zur Straße, direkt über dem Fenster, auf das er es abgesehen hatte. Ein Ende der Wäscheleine hatte er um den Kamin geschlungen. Unter einen Arm hatte er sich die Gardinenstange geschoben, die sich mit dem zerbrochenen Glasende in eine altvertraute Waffe verwandelt hatte: ein Bajonett. Zur Probe zog er fest an der Leine. Sie hielt.
Noch einmal holte er tief Luft, dann sprang Younger nach hinten. Den Bruchteil einer Sekunde lang ließ er das Seil durch die Finger gleiten, bevor er wieder zupackte. Die Leine wurde straff, und er schwang auf das Fenster zu. Mit den Füßen voran brach er in einer Wolke aus berstendem Glas und splitterndem Kiefernholz durch die Scheibe.
Littlemore im Innern des Hauses hörte das Krachen und
sah, wie Zelko am Ende des Korridors aufsprang, die Zimmertür aufstieß und verschwand. Sofort stürmte der Detective durch den jetzt leeren Gang.
Younger rollte sich auf dem Boden ab und kam, Farbe und Holzstücke spuckend, auf die Beine, das Bajonett in der Hand. Was er sah, verblüffte ihn nicht wenig: ein gebrechlicher alter Mann im Nachthemd mit klaffendem, zahnlosem Mund und grauen Haarbüscheln am Kopf. Younger war in die falsche Wohnung eingedrungen.
Littlemore drang in die richtige ein. Dank Youngers Ablenkungsmanöver hatte der Detective gehofft, die dem Fenster zugewandten Männer von hinten überrumpeln zu können. Doch als er durch die Tür stürmte, starrten ihm Miljan und Zelko direkt ins Gesicht. Sie brauchten höchstens eine Sekunde, um das Feuer zu eröffnen, doch diese Sekunde reichte Littlemore. Er ließ sich sofort auf die Knie fallen, und ihre Schüsse peitschten über ihm durch die Luft, als er auf dem Holzboden nach vorn rutschte.
Littlemore war zu erfahren, um auf beide anzulegen, weil er in diesem Fall die Waffe hin und her hätte reißen müssen und so wahrscheinlich keinen getroffen hätte. Da er Zelko gleich als den Gefährlicheren erkannt hatte, jagte er dem Mann drei Kugeln in die Brust, die ihn nach hinten in den Kamin schleuderten.
Miljan schoss weiter, während Littlemore auf ihn zuglitt, aber er war viel zu hektisch. Er drückte jedes Mal zu schnell ab, ohne den Rückstoß der Waffe auszugleichen. So feuerte er mehrmals über den Kopf des Detectives hinweg, bis Littlemore mit ihm zusammenprallte und mit ihm über Zelkos Leiche rollte. Es gab kein langes Gerangel. Littlemore schlug den Gauner sofort mit der Pistole bewusstlos und
fesselte ihn mit den Handschellen an einen Eisenring, der aus dem Kamin ragte.
In diesem Moment stürzte Younger mit Holzsplittern im Haar ins Zimmer und schwenkte heftig sein Bajonett, das jedoch dummerweise kein Bajonett mehr, sondern nur noch eine Gardinenstange war, die irgendwann bei seinem Sprung durch das Fenster ihren Glasdorn eingebüßt hatte. Colette und Luc schauten zu ihm auf. Noch immer erfüllte der Phonograph das Zimmer mit Swingmusik.
»Nettes Ablenkungsmanöver, Doc.« Littlemore wandte den Blick von Colette ab, der das Kleid von den Schultern gerutscht war, und machte sich daran, Luc loszubinden.
Younger trat zu Colette. Mit einem leichten Kopfschütteln und einem leisen Lächeln gab sie ihm zu verstehen, dass alles in Ordnung war. Er zog ihr das Kleid über die Schultern, und als er die Prellung über ihrem Auge entdeckte, hätte er sie unpassenderweise am liebsten in die Arme geschlossen.
»Meinen Sie, Sie könnten mir die Fesseln abnehmen?«
»Natürlich.«
»Der andere Mann, der mit dem Bart«, fügte sie hinzu. »Habt ihr ihn erwischt?«
Younger und Littlemore tauschten einen raschen Blick, dann spürten sie gleichzeitig, dass jemand in den Türrahmen getreten war. Littlemore reagierte als Erster. Er sprang auf und versuchte, sich in einer einzigen Bewegung zu drehen und seine Pistole zu ziehen, aber er hatte keine Chance. Aus der offenen Tür gab Drobac einen einzigen Schuss ab. Blut spritzte, der Detective wurde krachend gegen den Tisch geschleudert, seine Waffe segelte durchs Zimmer.
Younger stand viel langsamer auf, den Rücken zur Tür
und mit erhobenen Händen, um zu
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