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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Durchbohrung mit großer Sicherheit zum Tod führt, ist das Herz das größte — abgesehen natürlich vom Gehirn, das jedoch durch den harten Schädelknochen geschützt ist. Eigentlich sollte man meinen, dass die Rippen des Opfers ein bedeutendes Hindernis darstellen. Aber das ist nicht so, vorausgesetzt, der Wurf erfolgt nicht von oben, sondern seitlich. Dann lassen die Rippen des Opfers die Spitze in neunundneunzig von hundert Fällen durchgleiten. Man könnte sogar fast behaupten, dass sie sie ins Ziel lenken.
    Younger und Colette hatten Drobac den Rücken zugekehrt, genau wie alle anderen Besucher, weil er als Einziger nicht am Geländer, sondern in der Mitte der Aussichtsplattform
stand. Ein guter Messerwerfer scheut sich nicht, den Rücken eines Opfers anzuvisieren, zumal er damit auf jeden Fall das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat. Dazu benötigt er nur eine Klinge, die lang genug ist, um das weiche Gewebe des linken Lungenflügels zu durchschlagen und dann noch tief genug ins Herz einzudringen. Bei einem schlanken Opfer reicht in der Regel eine Klinge von zwanzig Zentimetern. Colette Rousseau war schlank, und das fragliche Messer hatte eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Stahlklinge. Drobac atmete langsamer.
     
    G ut so«, rief Detective Littlemore einem Arbeiter zu, der einen Pressluftbohrer bediente. »Vorsichtig jetzt.«
    Littlemore befand sich auf der Wall Street vor der Morgan Bank, wo tags zuvor die Bombe explodiert war. Zwei uniformierte Beamte — Stankiewicz und Roederheusen — hielten Schaulustige fern. Um das Schatzamt und die Münzanstalt auf der anderen Straßenseite war noch immer eine ganze Kompanie Soldaten postiert.
    Die Bohrspitze durchbrach einen Pflasterstein in dem rußigen Krater, dann noch einen. Mit einem Handzeichen bedeutete Littlemore dem Arbeiter, dass er aufhören sollte. Zusammengekauert fegte der Detective Staub und Kiesel beiseite und löste ein Hufeisen von den Steinen. Es hatte Größe vier und zeigte die Überreste eines Kleeblattnagels. Stankiewicz und Roederheusen spähten ihm über die Schulter. Littlemore drehte das Eisen um. Die Buchstaben HSIU waren darauf gedruckt.
    »Wie findet ihr das? Wisst ihr, wofür diese Abkürzung steht?«
    »Nein, Sir«, antwortete Roederheusen.

    »Horse Shoers International Union.« Internationale Hufschmiedgewerkschaft.
    »Ist daran irgendwas merkwürdig, Cap?«, fragte Stankiewicz.
    »Allerdings.« Littlemore gab jedoch keine nähere Erklärung.
     
    A uf der Aussichtsplattform des Woolworth-Gebäudes brach eine Horde Schuljungen in Schreie aus und fegte in vollem Galopp von einer Seite zur anderen. Luc jagte hinterdrein, dicht gefolgt von einer alarmierten Lehrerin. Colette rief den Namen ihres Bruders und setzte ihm nach, weil sie fürchtete, er könnte stolpern und über das Geländer stürzen.
    Drobac lächelte. Immer noch stand er allein und reglos im Zentrum der Plattform. Aus seiner Perspektive lief Colette von der rechten zur linken Seite der Plattform. Der böige Wind ließ einen Augenblick nach, und in diesem Augenblick machte er einen langen Ausfallschritt wie ein Fechter und schleuderte das Messer aus dem Handgelenk. Im Allgemeinen bevorzugte er bewegliche Ziele, weil sie eine größere Herausforderung darstellten. Aber Colette bot ihm nicht einmal dies. Luc hatte jäh gebremst und mit ihm die Lehrerin unmittelbar hinter ihm sowie Colette.
    Parallel über dem Boden vollführte der Dolch genau dreieinhalb Umdrehungen in der Luft und fuhr der jungen Frau in den Rücken. Die Spitze glitt durch die Rippen und durchbohrte ihre Lunge. Doch es war nicht der linke Lungenflügel, sondern der rechte, und daher berührte die Klinge beim Verlassen der Lunge nicht ihr Herz.
    Wenn ein Messer in den Rücken eines Menschen eindringt,
wirft das Opfer in der Regel beide Arme hoch, schreit und fällt mindestens ein, zwei Schritte nach vorn. All das geschah auch hier. Unglücklicherweise wurde sie vom Schwung ihrer Schritte über das Geländer gerissen. Noch immer bestand die Chance, dass einer der darunterliegenden Balkone ihren Sturz auffing. Doch es sollte nicht sein. Ihr Körper überschlug sich und prallte von einer Brüstung nach außen weg. Ein kleineres Stück Beton brach heraus und begleitete sie über achtundfünfzig Stockwerke bis zum Erdboden. Genau im selben Augenblick schlugen die junge Frau und der Betonbrocken auf dem Gehsteig auf, der an dieser Stelle aus einem Mosaik farbiger Glasrechtecke bestand. Nach der

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