Todesinstinkt
Bibliothek zu verbringen. Die Bibliothekarin war zwar sehr hilfsbereit, verstand aber noch weniger als er von Gesetzestexten. Sie fanden nichts.
Als der Detective in seinem Büro ankam, schrillte das Telefon. Rosie teilte ihm mit, dass Mr. Thomas Lamont am Apparat war und es schon mehrmals probiert hatte.
»Haben Sie mit Mr. Speyer gesprochen?«, erkundigte sich Lamont, nachdem die Verbindung hergestellt war.
»Das wissen Sie doch, Lamont. Ihr Mann hat aufgepasst.«
»Verstehe. Nun, wir ziehen es vor, die Dinge selbst im Auge zu behalten. Haben Sie etwas herausgefunden?«
»Ja. Ich habe rausgefunden, dass ich von J.P. Morgan benutzt wurde. Sie haben gehofft, dass ich Speyer verhafte oder ihn zumindest ein paar Tage aufhalte. Dann hätte er sein Geld nicht ins Ausland bringen und den Mexikanern leihen können.«
Eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. »Speyer hat Ihnen von Mexiko erzählt?«
»Richtig.«
»Was hat er gesagt?«
»Genug«, knurrte Littlemore.
»Wir sind bemüht, Mexiko zu helfen, Captain. Ein Land kann nicht einfach seine Schuldentilgung einstellen. Mexiko zerstört seine Zukunft, wenn es auf dieser kurzsichtigen Politik beharrt. Schulden sind eine heilige Verpflichtung. Das kann Mr. Speyer wie so viele seinesgleichen nicht begreifen. Für ihn ist eine Verbindlichkeit nur Geld.«
»Während es für Sie eine Religion ist. Ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten, und Sie wollten mich als Marionette benutzen.«
»Ich schwöre Ihnen, Captain, dass das nicht meine Absicht war. Mir geht es nur um die Frage, ob mein Unternehmen angegriffen wurde – und falls ja, wer dahintersteckt.«
»Ich glaube nicht, dass Speyer etwas mit dem Anschlag zu tun hatte. Und Sie glauben es auch nicht.«
»Aber der Mann hat mir gedroht. Er hat mich praktisch davor gewarnt, dass er Gewalt anwenden wird. Haben Sie ihn danach gefragt?«
»Das war keine Drohung. Er wollte Sie vor einem neuen Attaché aus Mexiko warnen — vielleicht demselben, der neulich Abend in Ihrem Club aufgetaucht ist.«
»Wer — Pesqueira? Was ist mit ihm?«
»Keine Ahnung, Lamont. Das ist Ihre Angelegenheit, nicht meine.«
»Sie können nicht einfach zulassen, dass Speyer das Land verlässt. Was ist, wenn er nicht zurückkommt?«
In diesem Augenblick schob Officer Stankiewicz den
Kopf durch die Tür. Er war ganz außer Atem. »Hey, Cap, das Bureau ...«
Mit erhobener Hand brachte ihn Littlemore zum Schweigen. »Der kommt zurück.« Nachdem er aufgelegt hatte, wandte er sich an seinen Untergebenen. »Was ist, Stanky?«
»Die Bureau-Leute haben den Burschen aufgetrieben, der das Pferdegespann der Attentäter gewartet hat. Sie sagen, er hat Tresca identifiziert. In zehn Minuten gibt Flynn eine Pressekonferenz.«
»Wo?« Littlemore zog bereits Jackett und Stohhut an.
»Vor dem Schatzamt.«
»Holen Sie das Hufeisen.« Der Detective eilte durch den Korridor. »Wir treffen uns dort.«
A uf den Stufen des US-Schatzamts, die Statue von George Washington im Rücken und eine Phalanx bewaffneter Soldaten zu beiden Seiten, legte Big Bill Flynn vom Federal Bureau of Investigation den Arm um einen angegrauten Arbeiter in einer ölfleckigen Lederschürze. Einer kleinen Schar von Reportern und Fotografen machte Flynn folgende Mitteilung:
»Wir stehen vor einer entscheidenden Wende der Ermittlungen. Dieser gestandene Amerikaner hier ist Mr. John Haggerty, ein Hufschmied mit über vierzig Jahren Berufserfahrung. Er wurde von Agenten des Bureau unter meinem persönlichen Kommando aufgespürt. Zückt die Stifte, Jungs, hier ist eure Story. Am oder um den Ersten des Monats herum erschien in Mr. Haggertys Stall an der New Chambers Street ein Individuum in Begleitung eines Pferdewagens. Letzterer benötigte neue Eisen und war mit ungewöhnlichen Messingdrehkränzen ausgestattet — genau
wie die, die wir nach der Explosion hier auf dem Platz gefunden haben. Mr. Haggerty hat das Pferd mit Eisen der Größe vier beschlagen, und zwar mit Hilfe von sogenannten Kleeblattnägeln und Niagara-Hufpolstern – was exakt den von uns sichergestellten Gegenständen entspricht.«
»Die haben das Zeug doch gar nicht sichergestellt, Cap«, flüsterte Stankiewicz seinem Chef zu. »Wir haben es ihnen gegeben.«
Mit einer Geste mahnte ihn Littlemore zur Ruhe.
»Mit anderen Worten, das Pferdegespann, das Mr. Haggerty vor drei Wochen beschlagen hat, ist exakt dasselbe Pferdegespann, das die Anarchisten benutzt haben, um ihren Sprengsatz am Sechzehnten
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