Todesinstinkt
musste dreimal bitten. Wie viel wollen Sie? Sagen Sie es, ich gebe es Ihnen.«
»Auch noch Bestechung? Da brummen Sie gleich fünf Jahre länger.«
»Pardon, ich dachte, Sie wollen mich erpressen.«
»Erpressen? Für einen Deutschen sind Sie ja ganz schön fix. Was haben Sie denn angestellt, dass man Sie erpressen kann?«
»Ich bin kein Deutscher. Ich bin in dieser Stadt geboren und genauso Amerikaner wie Sie.«
»Von wegen«, widersprach der Detective. »Deshalb haben Sie doch die deutsche Armee finanziert, nachdem wir den Krieg erklärt hatten.«
»Ich nicht – das waren meine Verwandten, die in Frankfurt leben. Damit habe ich nichts zu tun.«
»Und warum hat Sie dann Ihr Kumpel, der Kaiser, zum Ritter des roten Adlers geschlagen?«
»Das war schon 1912«, protestierte Speyer. »Und wenn man dadurch zum Verräter wird, dann hätten Sie auch J.P. Morgan verhaften müssen. Er hat den Adlerorden auch bekommen.«
Zum ersten Mal geriet Littlemore ins Stocken. »Morgan?«
»Ja. Er hat ihn im Jahr vor mir erhalten.«
»Wenn Sie so ein großer Patriot sind, warum schleichen Sie sich dann aus dem Land?«
»Schleichen? Ich reise zur Unterzeichnung äußerst wichtiger Verträge nach Hamburg. Am achten Oktober bin ich wieder hier.«
»Zeigen Sie mir diese Verträge.« Littlemore überlegte kurz. »Und die Rückfahrkarte.«
»In meiner Aktentasche«, antwortete Speyer. »Auf dem Esstisch.«
Littlemore schob Speyer vor sich her in einen vornehmen Speisesalon mit einem michelangeloartigen Fresko an der Decke. Große und kleine Ölgemälde zierten die Wände. Der Detective blieb vor einem kleinen Porträt stehen, das so dunkel war, dass er zuerst gar nicht erfasste, was es darstellte: einen alten Mann mit rötlichem Gesicht und Tränensäcken. »Das muss viel wert sein, wenn man es nicht mal erkennen kann. Für wie viel wird so ein kleines Ding gehandelt?«
»Wissen Sie, was das für ein ›kleines Ding‹ ist, Captain?«
»Ein Rembrandt.«
Diesmal war Speyer der Überraschte.
»Genau so eins hab ich mir neulich im Museum angeschaut«, erklärte Littlemore.
»Ich habe eine Viertelmillion Dollar dafür bezahlt.«
Littlemore pfiff durch die Zähne, bevor er weiterging. Auf
einer rechteckigen Tafel, die zwanzig Menschen Platz bot, lag eine offene Aktentasche. Sie enthielt einen dicken Packen Schuldverschreibungen auf Englisch, Spanisch und Deutsch. Littlemore blätterte darin herum. »Und wer hat das große Bild hinter mir gemalt?« Der Detective blickte nicht auf. »Das von Mr. James Speyer.«
»Ein Junge aus der Lower East Side«, antwortete der Bankier. »Ein Student von der Eldridge University. Eine der Schulen, die ich unterstütze.«
Bei den Verträgen ging es um eine riesige Geldsumme. Diese war offenbar für eine mexikanische Bank bestimmt, deren Leiter James Speyer war. Außerdem entdeckte Littlemore einen amerikanischen Pass und eine Fahrkarte für die White Star der Reederei Cunard, die am ersten Oktober von Hamburg nach New York ablegte.
»Finden Sie das nicht ein bisschen übertrieben?«, fragte Speyer. »Es war doch nur eine Flasche Wein.«
»Was für eine Flasche Wein?«
»Die, die ich im Delmonico’s getrunken habe. Ist das nicht der Grund, weshalb Sie an meinen Tisch gekommen sind? Weshalb Sie jetzt hier sind?«
»Für die Prohibitionsgesetze bin ich nicht zuständig. Aber habe ich das jetzt richtig verstanden? Sie behaupten, Sie sind aus dem Restaurant geflüchtet, weil Sie Angst hatten, ich buchte Sie wegen Alkoholkonsum ein?«
»Stimmt genau.«
»Und Sie dachten, ich lasse die Sache einfach auf sich beruhen?«
»Mir war nicht klar, dass Sie wissen, wer ich bin«, erwiderte Speyer. »Aber da Sie es nun wissen, möchte ich Sie warnen, Captain. Ich bin ein reicher Mann, und ein reicher
Mann kann einem Polizisten, der ihn ärgert, ziemliche Scherereien machen.«
»Erzählen Sie mir nichts, Speyer. Sie sind doch pleite. Erst vor kurzem mussten Sie zwei von Ihren größeren Gemälden versetzen. Und sogar von Ihren alten Dienern haben Sie sich getrennt.«
Speyer starrte den Detective an. »Wie kommt es, dass Sie so viel über mich wissen?«
»Ich benutze nur meine Augen.« Littlemore deutete auf zwei Stellen an der Wand, wo ein etwas hellerer Ton der Tapete darauf schließen ließ, dass die momentan dort hängenden Porträts größere Gemälde ersetzt hatten. »Und Sie würden nicht persönlich die Tür öffnen, wenn Sie noch die Dienstboten hätten, die jemand in so einem Haus
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