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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eigentlich haben müsste. Ich würde sagen, Sie versuchen, den Schein aufrechtzuerhalten, Speyer. Vermutlich sind Sie sogar in einer verweifelten Lage. Warum haben Sie nicht einfach den Rembrandt verkauft?«
    Erst nach langem Schweigen antwortete Speyer. »Ich konnte mich nicht von ihm trennen. Was wollen Sie von mir?«
    »Die New Yorker Polizei ist für die Sicherheit von Präsidentschaftskandidaten verantwortlich, die die Stadt besuchen.« Littlemores Äußerung entsprach der Wahrheit. »Wir haben Zivilbeamte bei jedem Diner. Einer von ihnen hat gehört, wie Sie einen Angestellten von J.P. Morgan bedroht haben.«
    »Unsinn.«
    »Sie leugnen, dass Sie zu einem Morgan-Teilhaber gesagt haben, er soll aufpassen, weil sich die Bank mit anderen zusammentut, um Ihnen den Kredit zu verweigern?«

    »Was? Das war doch keine Drohung. Ich habe Lamont nur gewarnt.«
    »Es wird Sie vielleicht überraschen, Mr. Speyer, aber das Gesetz macht keinen großen Unterschied zwischen einer Drohung und einer Warnung.«
    »Sie verstehen überhaupt nicht, wovon ich rede. Ich habe Lamont vor den Mexikanern gewarnt – obwohl ich selbst viel von der Morgan Bank habe einstecken müssen. Der neue Handelsattaché Mexikos – er war es, der gedroht hat. Hat der Morgan Bank – und Morgan persönlich – die wildesten Sachen angekündigt, wenn sie nicht das Embargo aufhebt.«
    »Was für ein Embargo?«
    »Das Morgan-Embargo gegen Mexiko. Sie wissen doch sicher von der Zahlungseinstellung.«
    »Nein.«
    Speyer schüttelte den Kopf. »Wo soll ich da anfangen? Vor zwanzig Jahren hat J.P. Morgan – der Alte – die gesamten Staatsschulden Mexikos finanziert. Ein großes Risiko, das noch keine US-Bank eingegangen war. Eine kühne Wette, die lange Zeit gutgegangen ist. Morgan hat ein Vermögen damit verdient. Aber dann kam es zur Revolution, und 1914 wurde das Land zahlungsunfähig. Seither haben die Mexikaner keinen Cent mehr bezahlt. Inzwischen sind Hunderte Millionen allein an Zinsen aufgelaufen. Morgan hat alle anderen Häuser unter Druck gesetzt, damit niemand Mexiko frisches Geld leiht, solange das Land seine alten Schulden nicht bezahlt hat.«
    »Und was ist daran falsch?«
    »Falsch? Richtig und falsch gibt es im Bankgeschäft nicht. Es gibt nur Wetten, gute und schlechte. Morgan hat nicht
gemerkt, dass eine Revolution kommt. Deswegen sind die Morgan-Leute so wütend auf mich.«
    »Da kann ich Ihnen nicht ganz folgen.«
    Speyer atmete tief durch. »Ich wette auf die Revolutionäre. Ich durchbreche das Embargo. Als Einziger. Lamont weiß, dass ich die Finanzmittel organisiert habe, aber er weiß nicht, woher das Geld kommt. Deswegen bin ich am Sonntag vor Ihnen weggelaufen. Eine Verhaftung kann ich mir nicht leisten. Ich kann mir weder die Verzögerung noch die öffentliche Aufmerksamkeit leisten.« Mit seinen hinter dem Rücken gefesselten Händen nahm Speyer unbeholfen Platz. »Lamont ist klar, dass ich den Mexikanern Geld leihen will. Und er würde alles tun, um mich daran zu hindern.«
    Littlemore ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen. »Wenn die Mexikaner Morgan nicht bezahlen können, wieso wollen Sie ihnen dann Geld leihen?«
    »Ach, die könnten ihre Schulden schon bezahlen. Sie haben Eisenbahnen, sie haben Silber. Und vor allem haben sie Öl. Mehr als jedes andere Land der Welt. Jedenfalls muss ich diese Reise antreten, Captain. Es ist meine letzte Chance. Meine Frau ist schwer krank. Wenn ich nicht mit der Imperator ablege, verliere ich alles. Ich verspreche Ihnen, dass ich am Achten wieder da bin. Ich kann Ihnen auch ein Pfand überlassen.«
    »Was für ein Pfand?«
    »Egal. Sie müssen es nur sagen.«
    Littlemore sagte es. Speyer schluckte schwer.
     
    A m selben Morgen sandte Younger Colette eine Antwort auf ihre Bitte, sie nach Wien zu begleiten. Übertriebene Länge konnte man seinem Schreiben gewiss nicht vorwerfen.

    21. September 1920
    Nein.
    — Stratham
     
    D raußen auf der Fifth Avenue ließ Littlemore Roederheusen ans Steuer des Automobils. Die Hände des Detectives waren mit einem rechteckigen, in eine schwere Decke gehüllten Gegenstand beschäftigt. Als Roederheusen fragte, worum es sich dabei handelte, erwiderte Littlemore, dass es eine Anleihe im Wert von einer Viertelmillion Dollar war.
    Bei der Abfahrt bemerkte Littlemore, dass sich die Limousine weiter oben an der Straße in die entgegengesetzte Richtung entfernte.
     
    D a es noch früh war, beschloss Littlemore, eine Stunde in einer juristischen

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