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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Littlemore schilderte die ungünstige Entwicklung der Ereignisse. »Drobac kommt morgen Nachmittag aus dem Gefängnis. Tut mir leid, Doc. Und ich mache mir Sorgen. Anscheinend weiß dieser Anwalt von Drobac ziemlich viel über Colette,
unter anderem, dass sie in New Haven ist. Wer hat ihm das gesteckt? Ich glaube fast, die Miss wird beschattet. Oder jemand in New Haven informiert diese Leute, wer sie auch sind. Also wenn Sie mich fragen: Sobald dieser Drobac freikommt, ist die Miss nirgends mehr sicher. Das heißt, sie und ihr Bruder sollten sofort untertauchen.«
    Nachdem Younger aufgehängt hatte, nahm er Mantel und Hut und verließ das Haus, um Vorkehrungen zu treffen. Als er fertig war, sandte er Colette ein Telegramm zur sofortigen Zustellung.
    SIE MÜSSEN MIT LUC SOFORT VERSCHWINDEN STOPP DROBAC WIRD MORGEN ENTLASSEN STOPP ECHTE GEFAHR STOPP ER WEISS WO SIE SIND STOPP HABE KABINE AUF THESS WELSHMAN GEBUCHT ABFAHRT HAFEN NEW YORK MONTAG FÜNF DREISSIG NACH HAMBURG STOPP LITTLEMORE WARTET MIT FAHRKARTEN STOPP SAGEN SIE ES NIEMAND WIEDERHOLE NIEMAND
    Weil es Sonntagabend war, musste Younger ein Vermögen dafür zahlen, dass das Telegramm abgeschickt und von Hand zugestellt wurde. Dummerweise konnte der hastig verpflichtete Bote von Western Union nicht zwischen den Wohnheimen der Yale University unterscheiden, und das Telegramm wurde an der falschen Adresse unter der Tür hindurchgeschoben.
     
    A ls Colette am Sonntagabend nach der Arbeit im Laboratorium spät zu Hause anlangte, stellte sie fest, dass nicht abgesperrt war. Sie erschrak. Sie hatte Luc immer wieder eingeschärft, die Tür verschlossen zu halten, aber anscheinend
hörte er nicht mehr auf sie. Colette trat in das stille Dunkel ihrer Wohnung. Eigentlich hätte es nicht so dunkel und still sein dürfen. Konnte es sein, dass Luc bereits schlief? Er ging doch sonst nie ohne Aufforderung zu Bett.
    Die Luft fühlte sich klamm und stickig an. Sie suchte nach einem Lichtschalter, konnte ihn aber nicht finden. Dann hörte sie ein merkwürdiges Tropfen, als würde es regnen — aber nicht draußen. Das Geräusch kam aus ihrem Schlafzimmer.
    »Luc?« Keine Antwort. Sie tastete sich zum Schlafzimmer vor und fand schließlich den Lichtschalter.
    Der Raum war leer. Das schmale Bett des Jungen war unberührt. An der Decke bildeten sich Wassertropfen und fielen platschend in eine Pfütze auf dem Boden.
    Einen Stock höher lebten ein Theologiestudent und seine nette Frau, die Luc schon oft zu sich genommen und auf ihn aufgepasst hatten, wenn Colette in der Arbeit war. Luc hatte praktisch eine stehende Einladung von diesen Nachbarn, jederzeit in ihre Küche zu kommen und sich Milch und Kekse zu holen – eine Einladung, die er schon einige Male wahrgenommen hatte. Das Wasser stammte mit Sicherheit aus dieser Wohnung. Und vermutlich war auch Luc dort oben.
    Colette trat hinaus in das unbeleuchtete Treppenhaus und stieg die Stufen hinauf, nachdem sie das Geländer gefunden hatte. Unter der Tür ihrer Bekannten war Licht zu sehen. Sie klopfte an, und die Tür ging von der leichten Berührung auf. In der kleinen Wohnung war es hell und völlig ruhig. Das Fenster im Wohnzimmer stand offen, die Vorhänge flatterten. Colette rief, aber sie erhielt keine Antwort.
    Colettes Herz schlug schneller. Die Abwesenheit des
Theologiestudenten und seiner Frau war beunruhigend, denn sonst waren sie am Abend immer zu Hause. Colette trat in die Küche, die ebenfalls leer war. Nur der Kühlschrank war offen. Seltsam, den Kühlschrank schloss man doch immer. Dann drang das Rieseln von Wasser an ihr Ohr. Von der Küche führte eine Tür ins Bad. Colette senkte den Blick: Durch den Spalt unter dieser Tür sickerte Wasser herein. Mit rasendem Herzen betrat Colette das Bad.
    Niemand. Der Hahn war aufgedreht, unbeaufsichtigt. Die Wanne war voll, das Wasser floss schon auf den Fliesenboden. Doch Colette drehte den Hahn nicht zu. Stattdessen stürmte sie, ohne einen Grund dafür nennen zu können, zurück ins Wohnzimmer und zog den Vorhang beiseite, um hinunter in den Hof zu spähen. Und dort war Luc.
    Er stand unter einem Baum, ein Glas Milch in einer Hand, einen Keks in der anderen, und starrte auf eine weibliche Gestalt, die vor ihm kniete. Ihr flaumiges Haar schimmerte rötlich im Schein einer nahen Laterne, ihr Gesicht war vor Anspannung verzerrt und hohlwangig. Fast hätte man sie hübsch nennen können, wären ihre Augen nicht so beängstigend gewesen – Augen, die etwas Unaussprechliches

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