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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erblickt hatten oder es noch immer betrachteten. Sie knöpfte ihr Kleid auf und zog es auseinander, um dem Jungen ihre Kehle und die nackte Brust zu zeigen. Mochte ihr Gesicht verkniffen sein wie das einer Wahnsinnigen, Hals und Brust waren makellos weiß und weich — fast strahlend. Luc rutschte das Glas aus der Hand. Da es aufs Gras fiel, zerbrach es nicht, doch kurz blitzte zu seinen Füßen ein Kreis weißer Milch auf. Die Gestalt streckte die Arme aus, als wollte sie ihn zu sich winken.
    Oben im Fenster schrie Colette auf. In panischer Angst
rannte sie hinaus in den Gang und die Treppe hinunter. Als sie die schwere Eingangstür aufgestemmt hatte, drangen beunruhigte Rufe über den Hof. Doch sie galten nicht Luc, sondern ihr. Die Frau unter dem Baum war verschwunden.
    Die Rufenden waren Colettes Nachbarn von oben – der Theologiestudent und seine Frau –, die ihr atemlos entgegeneilten und berichteten, dass sie ein Telegramm bekommen hatten, das Colette sofort lesen musste. Ein Student hatte bei ihnen angeklopft und ihnen eine falsch zugestellte Nachricht von Western Union gebracht. Sobald sie das dringende Telegramm gelesen hatten, waren sie zu Colettes Laboratorium aufgebrochen und hatten Luc aufgefordert, hierzubleiben und zu warten. Sie waren so überstürzt losgerannt, dass sie vergessen hatten, den Badewasserhahn zuzudrehen. Doch als sie beim Laboratorium eintrafen, war Colette bereits weg.
    Colette brachte ihren Bruder zurück in die Wohnung und las die Nachricht; als sich die Nachbarn zurückgezogen hatten, schaute sie Luc an. »Hat sie dich berührt?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. Er deutete auf seinen Hals und machte Zeichen mit den Händen.
    Colette verstand sofort. »Ja, ich habe es auch gesehen. Die Aura.«
     
    F rüh am Montagmorgen fand sich Detective Littlemore wieder in der juristischen Bibliothek ein. Er brauchte mehrere Stunden, aber schließlich fand er, was er gesucht hatte. Bewaffnet mit diesem Wissen, brach er auf ins Astor Hotel, wo Chief Flynn seine Kommandozentrale eingerichtet hatte. Unterwegs nahm Littlemore zwei Hotdogs mit.
    Ohne die Proteste einer Sekretärin zu beachten, stapfte
der Detective im Astor direkt zu Flynns geschlossener Tür, vor der die beiden ihm schon bekannten Assistenten Wache hielten. Einer von ihnen rieb sich bei Littlemores Anblick unwillkürlich das Kinn.
    »Ist Big Bill in der Gegend?« Als er keine Antwort erhielt, setzte Littlemore hinzu: »Ich klopfe einfach, falls ihr nichts dagegen habt.«
    Beide Assistenten legten Littlemore eine Hand auf die Brust. »Wir haben was dagegen«, meinte der, der den Detective beim Kirchgang angesprochen hatte.
    »Kein Problem.« Littlemore biss in einen Hotdog. »In ein paar Stunden komme ich wieder. Muss sowieso ins Gericht. Einen Haftbefehl ausstellen lassen. Sagt mal, wie ist das eigentlich mit den Soldaten, die Big Bill vor dem Schatzamt stationiert hat? Ich frage nur wegen dem Posse Comitatus Act. Habt ihr Lust auf einen Hotdog? Ich hab zwei.«
    Die Assistenten starrten Littlemore an.
    Der Detective zuckte die Achseln und fuhr fort. »Wisst ihr, der Posse Comitatus Act, das ist so ein Bundesgesetz. Und dieses Gesetz besagt, dass jeder, der den Befehl zum Einsatz von Truppen der US Army auf amerikanischem Boden erteilt, um Recht und Ordnung durchzusetzen ... na ja, so jemand verstößt gegen das Gesetz. Außer der Präsident natürlich. Also tut mir einen Gefallen. Richtet Big Bill aus, dass Captain Littlemore von der New Yorker Polizei um fünf mit einer Schar von Reportern und einem Haftbefehl wiederkommt. Und richtet ihm aus, dass die Journalisten bestimmt wissen wollen, was er in der Treasury versteckt.«
     
    I m vierten Stock des grauen, festungsartigen Gefängnisses mit dem Namen Tombs wurde um halb drei Uhr Nachmittag
die Anweisung erteilt, eine Arrestzelle aufzuschließen. Drobacs Augenpartie war noch immer dunkel geschwollen. Sein Mund war mit Draht zugeheftet, Kiefer und Wangen waren in einen kreisförmigen Metallapparat geklemmt.
    Ein gut gekleideter, mit dem Verlauf höchst zufriedener Anwalt betrat die Zelle, begleitet vom Chirurgen des Mörders. Beide fassten je einen Arm des Gefangenen, um ihm von seiner Pritsche aufzuhelfen. Drobac schüttelte ihre Hände ab und richtete sich alleine auf.
    Zahnstocherkauend beobachtete Littlemore das Ganze von seinem Posten hinter einer Gittertür am anderen Ende des Korridors. Um ihn herum wuselten mehrere Wärter und Beamte, unter anderem Roederheusen und

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