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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Hylan?«
    »Einverstanden«, knurrte der Bürgermeister.
    »Das wäre dann alles, Captain.« Littlemore war entlassen.
     
    A n seinem Hotelzimmerschreibtisch versuchte Younger, einen Brief an Colette zu verfassen. Wie konnte sie einen verurteilten Kriminellen lieben, der im deutschen Heer gegen ihr Land gekämpft hatte? Liebe musste eine reale Grundlage haben. Wenn eine Frau einen Mann liebte, der gar nicht der war, für den sie ihn hielt, dann liebte sie ihn doch in Wirklichkeit gar nicht.
    Aber vielleicht war Hans Gruber nicht der Mann, für den Younger ihn hielt. Weshalb sollte Gruber nicht die liebevolle, fromme, leidende Seele sein, an die Colette sich erinnerte? Sicher, er saß wegen des Angriffs auf ein unschuldiges Opfer im Gefängnis, aber dabei konnte es sich um einen Irrtum handeln. Younger war selbst erst vergangene Woche wegen Körperverletzung verhaftet worden. Schlimmer, viel schlimmer noch: Hatte Gruber Colette nicht mehr verdient als Younger? Gruber hatte sofort erkannt, was Younger erst nach mehreren Jahren begriffen hatte: dass sein Leben ohne sie leer und öde, sinnlos und düster sein würde.
    Dennoch: Der Brief, in dem er Colette die Gründe aufzählen wollte, warum sie nicht nach Europa reisen sollte, wollte ihm einfach nicht aus der Feder fließen. Er fing an, brach ab und fing wieder an. Ein zerknülltes Blatt Hotelbriefpapier nach dem anderen wanderte in den Papierkorb. Schließlich zog er sie heraus und verbrannte eins nach dem anderen im Aschenbecher. Ihm war klargeworden, dass sich Colette
nie von ihrer Fahrt nach Wien würde abbringen lassen, nachdem Freud sich bereiterklärt hatte, Luc zu behandeln.
    Younger stand auf, um seine Koffer zu packen.
     
    L ittlemore nahm sich noch einmal die bei den Entführern Colettes und Lucs sichergestellten Beweismittel vor. Jeden Gegenstand durchkämmte er, jedes Kleidungsstück kehrte er von innen nach außen. Er suchte nach Wäschereietiketten, Haaren, nach irgendwelchen Spuren, die eine Verbindung des inhaftierten Drobac mit der Entführung belegen konnten. Alles umsonst.
    Dann fuhr er zur Polizeiwerkstatt, wo er persönlich das Automobil der Verbrecher einstaubte, innen und außen, vom Auspuffrohr über die Aschenbecher bis zum Lenkrad, um Fingerabdrücke zu finden. Dieser mühsame Vorgang dauerte mehrere Stunden und förderte eine Vielzahl von Abdrücken zutage, die alle nicht zu denen passten, die dem von Younger so übel zugerichteten Mann abgenommen worden waren. Enttäuscht kehrte Littlemore am Abend nach Hause zurück. Aber er gab sich nicht geschlagen.
     
    A ls der Schaffner New Haven als nächste Station ankündigte, hatte Younger immer noch nicht beschlossen, ob er dort aussteigen oder weiter nach Boston fahren sollte, wo er die meiste Zeit seines Lebens gewohnt hatte.
    Die Landschaft vor den Fenstern des Zugs hatte immer mehr das Charakteristische von New England angenommen. Die Bäume leuchteten vor Farben. Jede Brücke über einen Fluss, jede Biegung der Küste war ihm vertraut. Offenbar hatte er diese Linie zu oft benutzt.
    Als der Zug in New Haven hielt, trat Younger hinaus auf
den Bahnsteig. Er roch die Herbstluft und warf einen Brief an Colette in einen Postkasten. Unter seiner Bostoner Adresse stand:
    24. September 1920
    Ich komme mit nach Wien, aber nur unter einer Bedingung: Sie müssen jeden Vorsatz aufgeben, sich mit Hans Gruber zu treffen.
    — Stratham
    Die Pfeife blies, der Schaffner rief, und Younger kehrte in sein Abteil zurück.
     
    D en nächsten Tag – Samstag – verbrachte Littlemore damit, Bewohner des Hauses, in dem sich die Verbrecher aufgehalten hatten, aufzuspüren und zu befragen. Niemand konnte ihm etwas Brauchbares sagen. Er fand den Hausherrn, aber auch dieser konnte ihm nicht weiterhelfen. Er durchtrennte das Polizeiband und betrat das Zimmer, in das die Entführer Colette und Luc geschleppt hatten. Auf Händen und Knien suchte er mit der Lupe jeden Zentimeter ab. Auch hier ohne Erfolg.
     
    A m Sonntagmorgen erwachte Younger im Schlafzimmer seines alten Hauses in der Back Bay. Es war nicht das Haus seiner Eltern, in dem er aufgewachsen war, sondern ein Stadthaus, das er 1911 nach der Trennung von seiner Frau und der Rückkehr in die Stadt erworben hatte. Ein stattliches Domizil mit schönen alten Möbeln, hohen Decken und gut geschnittenen Räumen. Ohne die angehäufte Post anzurühren, trat er hinaus.

    Was er an Boston mochte, war, dass die Stadt so klein war. Das war allerdings auch, was er nicht an

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