Todesjagd
Sand, dem letzten Rest der Blutlache aus der klaffenden Wunde in seiner Kehle.
Kranz hatte sich davon überzeugt, dass Quinn genau hinsah, als er Paras die Kehle durchgeschnitten und einen seiner Männer beauftragt hatte, Quinn festzuhalten, während ein
zweiter Quinns Kopf umklammerte und dafür sorgte, dass er die Augen offen hielt.
»Ich tu das nicht, weil ich es tun möchte«, hatte Kranz erklärt, als er eine Handvoll Haare packte und Paras’ bewusstlosen Kopf in die Höhe zog. »Ich tu das nicht gern, verstehst du.« Ohne die Haut zu berühren, bewegte er das Messer ganz dicht über der Stelle hin und her, an der sich Paras’ Kehle befand. Es war, als überlege er, wo er am besten ansetzen sollte. »Ich meine, es ist nicht so, dass ich die Mühe scheuen würde. Manchmal gehört es eben zum Job.« Noch einmal zog er die Klinge über Paras’ Hals, aber diesmal schnitt er tief ins Fleisch.
Kranz musste zurückspringen, um nicht mit Blut bespritzt zu werden. Nichtsdestotrotz war seine Hand, die das Messer hielt, völlig blutig. Er ging zu Quinn und wischte das Blut an seinem T-Shirt ab.
Die Botschaft war unmissverständlich. Wenn Quinn nicht redete, würde seine Kehle die nächste sein. Aber er wusste die Antworten auf Kranz’ Fragen nicht. Er war mit einer ganz besonderen Aufgabe betraut worden und kannte nur die Einzelheiten, die er wissen musste. Unglücklicherweise glaubte der Pole ihm nicht. Nachdem die erste Bef ragung nichts erbracht hatte, beschloss Kranz, Quinn eine Zeit lang allein zu lassen.
Sie hatten Quinn, der nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet war, im Dreck kniend zurückgelassen. Die Handgelenke hatten sie ihm mit einem kurzen Strick auf dem Rücken gefesselt, mit dem auch seine Fußgelenke gebunden waren. Dadurch wurden seine Handgelenke nach unten gezerrt, so dass er mit ausgestreckten Fingern fast die Fersen berühren konnte. Hätte er sich aufrichten und auf die Schenkel setzen können, hätte er ein wenig den Druck erleichtern können, doch zwei zusätzliche Stricke, jeder um einen Oberarm geschlungen und an Ästen drei Meter über ihm befestigt, verhinderten
jede Rückwärtsbewegung. Die Stricke waren genau abgemessen und so lang, dass nur Quinns Knie den Boden berührten - wären sie nur ein wenig kürzer gewesen, hätte er in der Luft gehangen.
Sie hatten ihn nicht getötet, doch er wusste, dass die Hinrichtung nur kurzfristig aufgeschoben worden war. Kranz und seine Männer würden am Morgen zurückkehren. Wenn er noch lebte, würden sie schnell herausfinden, ob eine Nacht der Folter seiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen hatte. Doch wenn sie erkannten, dass aus ihm nicht mehr herauszuholen war, als sie schon wussten, würde er Doppel-P Gesellschaft leisten.
Während die Stunden vergingen, kämpfte Quinn gegen den Drang an, vor Kälte zu zittern und mit den Zähnen zu klappern. Denn jedes Mal ruckte sein Körper an den Stricken, die keinen Millimeter nachgaben, so dass er das Gefühl hatte, die Arme würden ihm aus den Schultern und aus der Haut herausgerissen.
Er versuchte zu überlegen, wie er freikommen könnte. Doch je mehr er versuchte, sich zu konzentrieren, umso benebelter wurde er im Kopf. Wenn es vielleicht nicht so kalt gewesen wäre, hätte er klarer denken können. Das sagte er sich wenigstens. So erklärte er sich zumindest sein Scheitern.
Was ihm durch den Kopf ging und ihm immerhin ein paar Minuten Erholung von seiner hoffnungslosen Lage verschaffte, war die Vorstellung, was er mit Kranz tun würde, wenn es ihm irgendwie gelänge zu fliehen. Er würde nicht den gleichen Fehler machen wie Kranz. Er würde ruhig auf Kranz zugehen und ihn töten. Ein einziger Schuss in den Kopf, aus kürzester Entfernung. Eine glatte Hinrichtung. Unwichtig, dass Quinn so etwas noch nie getan hatte oder seine Chancen, so etwas zu tun, gleich null waren. In diesen Augenblicken war er glücklich.
Er hörte Dinge in der Nacht: den Wind, ein kleines Tier in den Bäumen über ihm, ab und zu einen Wagen auf der weit entfernten Straße. Und auch Durries Stimme war da gewesen. Sein Mentor, der mit so leiser Stimme zu ihm sprach, dass Quinn die einzelnen Worte nicht verstand, doch der Sinn war ihm klar.
Enttäuschung. Missfallen. Abscheu.
Doch das schlimmste Geräusch kam zwei Stunden vor der Morgendämmerung, als er hörte, dass sich von weitem Schritte näherten. Sie konnten nur bedeuten, dass Kranz zurückkam. Kranz mit seinen Männern. Und das konnte nur Tod bedeuten.
Als
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