Todesjagd
die Schritte näher kamen, merkte er, dass es nicht das Trio war. Vielleicht hatte Kranz entschieden, dass er von Quinn nichts mehr erfahren konnte, und hatte daher einen einzelnen Henker geschickt, um das Werk zu vollenden. Quinn war so erschöpft und körperlich so völlig unfähig zu jeder Gegenwehr, dass ihn ein Dreijähriger mit einem Plastikbügel hätte umbringen können, also war ein Mann mehr als genug.
Als der Neuankömmling auftauchte, wurde Quinns Vermutung bestätigt. Es war einer von Kranz’ Männern. Derjenige, der bei der Hinrichtung von Paras seinen Kopf gehalten hatte. Ein Weißer, vielleicht zehn Jahre älter als Quinn. Er war etwa eins achtundsiebzig groß, mit einem dunklen, lockigen Wuschelkopf. Die Haare reichten ihm bis über die Ohren und boten einen natürlichen Schutz vor der Kälte.
Er kniete sich vor Quinn hin, sah ihm in die Augen und nickte in Richtung von Paras’ Leiche.
»Dein Kumpel da drüben war ein Schwein, weißt du das?«, sagte er mit amerikanischem Akzent.
Quinn versuchte, dem Mann ins Gesicht zu spucken, aber sein Mund war zu trocken.
»Verpiss dich«, gelang es ihm zu flüstern.
Der Mann lächelte.
»Du besitzt Kampfgeist«, sagte er. »Das ist ein gutes Zeichen.«
Der Mann stand auf und zog ein großes Taschenmesser heraus. Als er es aufschnappen ließ, bereitete Quinn sich auf das Schlimmste vor, denn er wusste, dass sein Kopf bald in seiner eigenen Blutlache liegen würde. Doch anstatt ihm die Kehle aufzuschlitzen, ging der Mann um ihn herum nach hinten, so dass er ihn nicht mehr sehen konnte.
Erwartete darauf, dass die Klinge ihm durch die Haut fuhr. Vielleicht suchte sein Vollstrecker eine Arterie oder die empfindliche Stelle unter Quinns Rippen. Wenn er ein richtiger Sadist war, würde er Quinns Rückenmark durchtrennen und ihn zum Krüppel machen, bevor er ihn tötete.
Die Sekunden verstrichen, und Quinns Anspannung nahm zu, er wünschte sich beinahe, dass die Klinge ihr Ziel fand. Dann, ohne Vorwarnung, lag er auf dem Boden, der Druck um seine Handgelenke und auf seinen Schultern hatte sich gelöst. Die Stricke, die ihn während der vergangenen Stunden gefesselt hatten, lagen neben seinen Füßen.
»Kannst du gehen?«, fragte der Mann.
Quinn öffnete die Augen. Der Mann beugte sich über ihn.
Es konnte noch immer ein Trick sein. Ein Spiel, das der Mann mit ihm spielte. Er wollte nichts dem Zufall überlassen und versuchte, nach dem Schienbein des Mannes zu treten. Doch seine Muskeln versagten, und sein Fuß bewegte sich nur wenige Zentimeter, traf nichts außer Luft.
»Wenn du mich wirklich treffen willst«, sagte der Mann, »dann spar dir deine Kräfte auf und warte, bis wir hier verschwunden sind. Ich gebe dir noch einmal eine Chance, sobald wir in Sicherheit sind.«
Quinn erinnerte sich kaum an das, was in den nächsten Stunden passierte. Irgendwann hatte der Mann ihm auf die Beine geholfen. Dann war es ihm so vorgekommen, als wären sie stundenlang barfuß einen kalten, steinigen Weg entlanggegangen. Er erinnerte sich, den Mann etwas gefragt zu haben, wusste aber nicht, was es gewesen war und ob er eine Antwort bekommen hatte.
Irgendwann hatte er festgestellt, dass er nicht mehr ging, sondern auf dem Beifahrersitz eines Wagens kauerte. Der Mann saß am Steuer, die Augen geradeaus gerichtet. Quinn schaute aus dem Fenster. Überall waren Bäume, nur Bäume, die während der Fahrt immer wieder von den Scheinwerfern angestrahlt wurden.
Er wollte fragen, wer all diese Bäume angepflanzt hatte. Wollte wissen, warum es so dunkel war. Und im letzten Moment, ehe sein Körper völlig zusammensackte, wollte er fragen, wohin sie fuhren. Doch die einzige Frage, die er stellen konnte, war:
»Wie heißen Sie?«
Der Fahrer lachte gutmütig auf, dann sagte er:
»Nenn mich Steven.«
Das war Quinns erste Begegnung mit Markoff gewesen.
Der CIA-Mann hatte in der Organisation von Kranz verdeckt ermittelt. Kranz hatte in der Sowjet-Ära mit Waffen gehandelt, konventionellen, biologischen und, wie er behauptete, nuklearen, mit jedem, der im Westen kaufte. Doppel-P war einer seiner Händler gewesen, hatte aber beschlossen, dass er der große Boss sein sollte. Ohne es zu merken, war Quinn in einen Revierkampf gestolpert.
Den wahren Grund, warum Markoff beschlossen hatte, ihn zu retten, erfuhr Quinn nie. Markoff sagte, sein Job sei
ohnehin getan, also sei es keine große Sache, Quinn bei der Flucht zu unterstützen. Quinn glaubte ihm nicht. Allen Berichten
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