Todesjagd
zufolge war Kranz davongekommen. Wäre Markoffs Job wirklich beendet gewesen, hätte Kranz nicht überlebt.
Doch was immer auch der Grund gewesen war, Quinn wusste damals wie heute, dass er Markoff sein Leben verdankte - für immer und ewig.
»Ich habe zwei Adressen«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war einer von Quinns Kontakten, ein Typ namens Steiner, der bei einem Logistikunternehmen mit Postfachvermietung in Venice Beach arbeitete. Quinn hatte ihn vor zwei Stunden angerufen, um herauszufinden, wo Jenny gelebt hatte.
Steiners Hauptbeschäftigung war nicht die Beschaffung von Informationen. Er war ein Spezialist für Dokumente, er konnte Pässe besorgen, die fast jeder Inspektion standhielten. Wegen seiner Talente hatte er auch viele Kontakte. Wodurch er zu einer praktischen Verbindung wurde, wenn man etwas schnell herausfinden wollte.
»Gib sie mir«, sagte Quinn.
»Die Adresse in D. C. ist die neueste.« Steiner las eine Adresse in Georgetown vor. Sie beinhaltete eine Apartmentnummer, es handelte sich also nicht um ein Einfamilienhaus.
»Und die andere?«
»In Houston. Die Adresse ist schon ein bisschen älter, aber, soviel ich sagen kann, noch gültig.« Er gab Quinn die Adresse in Texas.
»Danke«, sagte Quinn und hängte ein.
Die Rückseite seines Wohnzimmers war eine Glasf ront, die vom Boden bis an die Decke reichte. Er stand davor und blickte hinaus in die Ferne. Es war einer jener dunstigen, heißen
Tage Anfang September, die Quinn hasste. Er konnte jenseits von Beverly Hills kaum etwas ausmachen.
Er wünschte, es wäre Herbst, die Luft hätte sich abgekühlt und der Wind hätte allen Dunst weggeblasen. Oder sogar Winter, kurz nach einem heftigen Regenfall, wenn der Himmel frisch und rein war und die City nachts leuchtete wie eine weiße Lichterkette an Weihnachten. Allerdings hätte er sich leicht mit dem dunstigen Tag abgefunden, wenn ihm Albinas Anruf wegen des Toten im Hafen erspart geblieben wäre.
Und er hätte einfach Nein sagen sollen, als Albina ihn am Tag zuvor angerufen hatte.
Aber er hatte nicht Nein gesagt.
Er holte tief Luft, ging dann durch das Wohnzimmer in die Diele und öffnete die Haustür. Nate lag auf der Motorhaube seines zehn Jahre alten Accord, las in seinem Handbuch für Piloten und aalte sich in der Sonne.
»Mach es dir nicht allzu bequem«, sagte Quinn.
Nate blickte auf.
»Wir kriegen einen neuen Auftrag?«
»Vielleicht.«
»Ist das einer, für den es kein Geld gibt?«
»Hol ganz einfach meinen Wagen aus der Garage und sei in zehn Minuten bereit aufzubrechen.«
»Wohin fahren wir?«, fragte Nat, während er die Beine von der Motorhaube schwang und sich aufrichtete.
»Du fährst mich zum Flughafen«, sagte Quinn.
5
Wenn man aus dem Terminal des Bush Intercontinental Airport in Houston ins Freie trat, hatte man das Gefühl, gegen eine Wand aus Gelatine zu prallen. Die Luft war so mit Feuchtigkeit gesättigt, dass es Quinn fast vorkam, als werde er zurückgestoßen und könne keinen einzigen Schritt mehr vorwärts wagen.
Er warf einen Blick auf seine Uhr: fünfzehn Uhr fünfzehn. Doch das war die Zeit in L. A. Hier in Texas war es schon zwei Stunden später. Siebzehn Uhr fünfzehn. Ende eines Werktags, für manche jedenfalls.
Houston schien genauso gut wie jeder andere Ort zu sein, um mit der Suche nach Jenny zu beginnen. Es war nicht nur die Heimatstadt des Kongressabgeordneten Guerrero, sondern auch die von Jenny. Wenn sie Urlaub hatte, war sie vielleicht nach Hause gefahren.
Quinn lieh sich bei einer Mietwagenfirma einen Lexus und fuhr in die City. Als er die Interstate 610 erreichte, bog er nach Westen und dann nach Süden ab, wo die große, schlaufenförmige Autobahn einen Bogen um den Großraum der City schlug. Er nahm die Ausfahrt beim Memorial Park und fuhr wieder westwärts, diesmal den Woodway Drive entlang.
Er hatte sich, bevor er Los Angeles verlassen hatte, bei Mapquest die Strecke angeschaut und sich die Wegbeschreibung zu der Adresse ausgedruckt, die Steiner ihm gegeben hatte.
Nicht weit von der Autobahn entfernt bog er rechts ab und befand sich in einem gehobenen Viertel. Quinn vermutete, dass hier sowohl Leute aus der Mittelklasse als auch aus der gehobenen Mittelklasse wohnten. Keine Frage, die Häuser
waren teurer, als ein typischer Regierungsangestellter es sich leisten konnte. Aber er war hier natürlich in Texas, nicht in L. A. Alles war hier billiger. Und, wie manche gern behaupteten, großartiger. Nur wenige
Weitere Kostenlose Bücher