Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Reihe ab. Wenn die Fähre auf einer Welle rollt, stütze ich mich an einem Kotflügel oder Anhänger ab. Vor meinem inneren Auge sehe ich Hasan und die anderen im Laderaum eingesperrt ersticken. Ich will an die Metallwände hämmern und die Hecktüren aufreißen, um Luft hineinzulassen.
In der zweiten Spur auf der Steuerbordseite finde ich das Fahrzeug schließlich, ein brauner Mercedes-Sattelschlepper und ein weißer Container-Aufleger. Ich steige auf das Trittbrett, packe
den Seitenspiegel und ziehe mich hoch, um in die Fahrerkabine zu gucken. Auf dem Boden liegen leere Kaffeebecher und Junk-Food-Verpackungen.
Ich steige wieder herunter und gehe langsam um den Container. Ich presse mein Ohr an die Stahlhülle und lausche auf ein Niesen, Husten oder Flüstern, irgendein Geräusch. Nichts. Die Hecktüren sind mit Stahlriegeln verschlossen und mit Vorhängeschlössern gesichert.
Jemand mit einer Taschenlampe kommt auf mich zu. Der Strahl schwenkt hin und her und blendet mich einen Moment lang. Ich ziehe mich in die Dunkelheit zwischen den Wagen zurück.
»Sie dürfen sich hier nicht aufhalten«, sagt eine Stimme.
Im selben Moment legt jemand von hinten eine Hand auf meinen Mund und erstickt jedes Geräusch.
Ich kriege keine Luft. Meine Füße haben keinen Bodenkontakt mehr. Mein Angreifer umklammert meine Wangen, gräbt seine Finger in mein Zahnfleisch, legt den anderen Unterarm um meinen Hals und sucht meine Luftröhre. Ich stemme meine Hände dagegen und trete nach hinten aus in der Hoffnung, seinen Rist oder ein Knie zu erwischen, aber der Tritt berührt ihn kaum.
Er hebt mich noch höher. Meine Zehen scharren über den Boden, ohne Halt zu finden. Blut rauscht in meinen Ohren. Ich muss Atem holen.
Beim Karatetraining habe ich etwas über Druckpunkte gelernt. Einer liegt in der weichen Haut oberhalb des Gewebes zwischen Daumen und Zeigefinger. Ich finde den Punkt, mein Angreifer grunzt vor Schmerz und lockert den Griff um meinen Mund und meine Nase. Aber ich kriege nach wie vor keine Luft, weil er immer noch auf meine Luftröhre drückt. Ich drücke den Daumen tiefer in sein Fleisch.
Ein Knie trifft meine Niere. Der Schmerz ist wie eine Hitzewelle. Trotzdem lasse ich seine rechte Hand nicht los, sehe jedoch
auch nicht, wie er seine linke zur Faust ballt. Der Schlag ist wie ein Ausrufezeichen. Dunkelheit fegt den Schmerz und die Erinnerung fort. Das unaufhörliche Stampfen der Motoren verstummt. Ich bin frei. Frei von dieser Fähre. Frei von Cate und Samira. Frei von den ungeborenen Zwillingen. Endlich frei.
Langsam wird die Welt wieder weiter. Und heller. Für einen Moment ist es, als würde ich ein paar Zentimeter über meinem Körper schweben und auf eine sonderbare Szenerie herabblicken. Meine Hände sind mit Isolierband hinter dem Rücken gefesselt. Ein weiteres Stück Klebeband ist um meinen Kopf gewickelt, um meinen Mund zu verschließen, und zerrt an meiner geschwollenen und aufgeplatzten Lippe.
Eine Taschenlampe, die neben meinen Füßen auf dem Boden liegt, verströmt ein schwaches Licht. Mein Kopf liegt in Samiras Schoß. Sie beugt sich vor und flüstert mir etwas ins Ohr. Sie will, dass ich still liege. Das Licht spiegelt sich in ihren Pupillen. Ihre Finger sind wie Eis.
Mein Kopf ist an ihren Bauch gepresst, und ich spüre, wie sich ihre Babys bewegen. Ich kann das Rauschen und Gurgeln der Flüssigkeit hören, die Melodie ihres Herzschlags. Blut fließt unter ihrer Haut, drängt sich in immer schmalere Gefäße und transportiert Sauerstoff.
Ich frage mich, ob die Zwillinge von der Existenz des jeweils anderen wissen. Hören sie seinen Herzschlag? Halten sie sich in den Armen, oder kommunizieren sie durch Berührungen?
Nach und nach setzen sich Dunkelheit und Durcheinander zu einem Anschein von Ordnung zusammen. Wenn ich ruhig bleibe, kann ich durch das Klebeband atmen.
Samira zuckt plötzlich zusammen, krümmt sich und drückt dabei meinen Kopf gegen ihre Oberschenkel. Als sie ihren Körper wieder unter Kontrolle hat, lehnt sie sich zurück und atmet tief durch. Ich versuche, den Kopf zu heben. Sie will, dass ich still liege.
Mit dem Knebel kann ich nicht sprechen. Sie schiebt ihre Finger unter das Klebeband und zieht es ein Stück weg, damit ich sprechen kann.
»Wo sind wir?«
»In einem LKW.«
Die Leere des Frachtraums verstärkt unser Flüstern.
»Alles in Ordnung?«
Sie schüttelt den Kopf. In ihren Augen schimmern Tränen. Wieder zuckt sie zusammen. Die Wehen haben
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