Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Bridget Jones. Nicht die Dicke aus dem Kino – die noch Dickere aus Cardiff. Das ist Bryce, mein Mann.«
Der Range Rover ist bis zum Schandeckel mit Koffern, Einkaufstüten und Duty-Free-Waren vollgepackt: Französische Käsespezialitäten, zwei Kisten Stella Artois, eine Flasche Bailey’s Irish Cream und diverse Souvenirs.
Sie sind wirklich goldig. Ein putziges Pärchen mit passenden Sitzkissen und Trinkbechern. Mr. Jones trägt Autofahrerhandschuhe mit abgeschnittenen Fingern, und sie hat die farblich markierten Straßenkarten in einer Tasche vor sich auf dem Armaturenbrett liegen.
»Wir waren in Polen«, erklärt sie.
»Wirklich?«
»In Polen war noch nie jemand. Nicht mal unsere Freunde Hettie und Jack aus dem Camping-Club, die glauben, sie wären schon überall gewesen.«
»Und in Estland«, ergänzt ihr Mann. »Seit dem 28. August haben wir fünftausendzweihundertfünfundfünfzig Kilometer zurückgelegt.« Er streichelt das Lenkrad. »Sie hat gut fünfzehn Liter auf hundert Kilometer geschluckt, nicht schlecht für ein altes Mädchen, vor allem nach dem gepanschten Diesel in Danzig. «
»Danzig war alles in allem ziemlich windig«, pflichtet seine Frau ihm bei.
»In einem Wohnwagen wird es doch bestimmt ganz schön kalt.«
»Ach, das macht uns nichts«, meint sie kichernd. »Ein Ehemann ist besser als eine Wärmflasche.«
Mr. Jones nickt. »Ich hol noch ganz schön was aus ihr raus.«
Ich weiß nicht, ob er seine Frau meint oder immer noch über sein Auto spricht.
Vor uns setzt sich die Schlange in Bewegung. Fahrzeuge rollen auf die Rampe und verschwinden im Innern des Schiffes, wo sie auf markierte Spuren gelotst werden, die kaum breiter sind als ihre Achsenbreite. Motoren werden abgestellt, Wohnwagen vertäut. Männer in Leuchtwesten dirigieren uns zu den Luftschleusen, die weiter zu Treppen und Fahrstühlen führen.
»Nicht trödeln, Schätzchen«, ermahnt Mrs. Jones mich. »Das Büffet ist im Preis der Überfahrt inbegriffen. Da will man dem Ansturm doch zuvorkommen.«
Mr. Jones nickt. »Es gibt leckeren Apfelkuchen mit Vanillesauce. «
Mit meinem Ticket habe ich einen Kartenschlüssel bekommen, der zu einer Kabine auf dem Kabinendeck passt. Auf Deck
acht hängen Schilder, die die Passagiere auffordern, sich aus Rücksicht auf schlafende LKW-Fahrer ruhig zu verhalten. Einige müssen schon vor Stunden an Bord gegangen sein. Wie soll ich Samira finden?
Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, meine Kabine zu suchen. Ich habe kein Gepäck zu verstauen. Stattdessen studiere ich den Plan des Schiffes, der neben dem Notausgang an die Wand genietet ist. Es gibt vier Fahrzeugdecks, die während der Überfahrt nur vom Schiffspersonal betreten werden dürfen. Deck zehn ist ausschließlich für die Mannschaft zugänglich. Dort muss sich auch die Brücke befinden.
Die Korridore zwischen den Kabinen sind gerade breit genug, dass zwei Menschen aneinander vorbeigehen können. Ich blicke in die Gesichter der Passanten auf der Suche nach Vertrautem oder Unvertrautem. Das war mein Job beim Personenschutz für den Diplomatischen Dienst – kleine Veränderungen bemerken, die Präsenz eines bestimmten Menschen in einer Menge erspüren oder seine Abwesenheit im Bruchteil eines Augenblicks zu registrieren. Es könnte jemand sein, der nicht hierher passt, jemand, der sich zu sehr bemüht, hierher zu passen, oder jemand, der mir aus irgendeinem anderen Grund ins Auge fällt.
Die Schiffsmotoren sind gestartet worden. Ich spüre das schwache Vibrieren unter meinen Füßen, das sich auf meine Nerven zu übertragen scheint.
Das Büffet ist im Globetrotter-Restaurant aufgebaut. Die meisten Passagiere sind vermutlich LKW-Fahrer in Jeans und T-Shirt. Auf ihren Tellern stapeln sich die Speisen – dickflüssige Currys, Cottage Pies und Gemüse-Lasagne. Große Maschinen müssen aufgetankt werden.
Die holländischen Fahrer spielen Karten, die britischen rauchen und lesen Zeitung. Die Fähre hat abgelegt und die Mitte des Flusses angesteuert. Draußen gleiten die Lichter an der Küste vorbei, und es sieht aus, als würde sich nicht das Schiff, sondern das Land bewegen. England liegt fünf Stunden entfernt.
Hokke hatte Recht. Der Heuhaufen ist zu groß. Ich könnte diese Fähren wochenlang durchsuchen, ohne Samira zu finden. Sie könnte in einem LKW oder in einer Kabine eingeschlossen sein. Vielleicht ist sie auch gar nicht an Bord. Vielleicht hatte de Souza nie die Absicht, mir zu helfen, sondern wollte mich einfach
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