Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
nur aus Holland wegschaffen.
Unter mir erstrecken sich die höhlenartigen Fahrzeugdecks, einige überdacht, andere offen und den Elementen schutzlos ausgeliefert. Ich muss sie suchen. Wie? Klopfe ich an jeden LKW und rufe ihren Namen? Würde sie antworten?
Wenn irgendeine Chance besteht, dass sie an Bord ist, muss ich sie finden. Ich laufe über die Gangways und Treppen hinauf und zeige Leuten Samiras Foto. In dem Labyrinth habe ich bisweilen das Gefühl, im Kreis zu laufen. War ich schon einmal in diesem Korridor? Ist das derselbe Passagier, den ich eben gefragt habe? Die meisten liegen mittlerweile ohnehin in ihren Kabinen und schlafen.
Als ich um eine weitere Ecke biege, spüre ich plötzlich ein Zittern in der Luft, ein unheimliches Gefühl, fast als wäre ich hellsichtig. Ein Stück den Korridor hinunter ist eine Gestalt mit dem Rücken zu mir stehen geblieben, um eine Kabinentür aufzuschließen. Ich sehe ein Viertelprofil und drücke mich unvermittelt an die Wand. Meine Phantome verfolgen mich.
14
Die Fähre schwankt leicht, sodass ich mich an der Wand abstützen muss. Wir müssen offene Gewässer erreicht haben. Ich bin sicher, dass er es ist. Brendan Pearl. Er ist hier, weil sie hier ist.
Meine erste Reaktion ist Rückzug. Ich verstecke mich im Treppenhaus, atme ein paar Mal tief durch und überlege, was zu tun ist. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und stelle fest,
dass ich kein Netz habe. Die Fähre ist außer Reichweite. Ich sollte mit dem Kapitän sprechen, damit der eine Meldung an Forbes durchgeben kann.
Ein Mitglied der Mannschaft kommt die Treppe hinauf. Auch in seiner dunklen Hose und dem weißen Hemd mit Schulterstücken sieht er zu jung aus, um zur See zu fahren. Ein Namensschild an seiner Brust weist ihn als Raoul Jakobson aus.
»Haben Sie Schlüssel zu allen Kabinen?«, frage ich ihn.
»Gibt es ein Problem?«
»An Bord befindet sich ein Mann, der von der britischen Polizei gesucht wird. Er ist in Kabine 8021.« Ich weise auf den Korridor, und sein Blick folgt meiner ausgestreckten Hand. »Ich bin Beamtin der britischen Polizei. Detective Constable. Gibt es eine Passagierliste?« Ich zeige ihm meine Dienstmarke.
»Ja, selbstverständlich.«
Er öffnet eine Tür mit der Aufschrift »Nur für Personal«, sucht ein Klemmbrett und fährt mit dem Finger über die Seite, bis er die Nummer gefunden hat.
»Die Kabine ist von einem gewissen Patrick Norris belegt. Er ist ein britischer LKW-Fahrer.«
Pearl hat eine neue Identität.
»Ist es möglich herauszufinden, welches Fahrzeug er an Bord gefahren hat?«
Raoul konsultiert wieder seine Liste. »V743. Auf Deck fünf.«
»Ich muss das Fahrzeug überprüfen.«
»Passagiere dürfen das Fahrzeugdeck nicht betreten.«
»Ich suche einen illegalen Passagier. Die Frau könnte in dem LKW eingeschlossen sein.«
»Vielleicht sollten sie mit dem Kapitän sprechen.«
»Ja, natürlich, aber im Moment bleibt dafür keine Zeit. Sie gehen zum Kapitän. Er soll diesen Mann benachrichtigen.« Ich kritzele eine Telefonnummer auf das Klemmbrett. »Er heißt Detective Inspector Forbes. Erwähnen Sie meinen Namen. Und sagen
Sie ihm, dass Brendan Pearl sich an Bord dieser Fähre befindet. «
»Das ist alles?«
»Er wird schon wissen, worum es geht.«
Raoul betrachtet die Telefonnummer und wirft einen ängstlichen Blick in den Korridor Richtung Pearls Kabine.
»Ist dieser Mann gefährlich?«
»Ja, aber es besteht kein Grund zur Panik. Lassen Sie ihn schlafen.« Ich blicke auf meine Uhr. »In vier Stunden sind wir in Harwich.« Ich mache einen Schritt Richtung Treppenhaus und nicke ihm zu. »Benachrichtigen Sie den Kapitän. Ich muss jetzt los.«
Zwei Stufen auf einmal nehmend fliege ich förmlich über die Absätze, bis ich Deck fünf erreicht habe. Ich drücke auf den roten Knopf der Schleuse und höre, wie die Luft zischend entweicht, als die Versiegelung bricht. Die Metalltür gleitet auf. Der höhlenartige Raum verstärkt das Geräusch der Schiffsmotoren, und der Boden vibriert von ihrem Stampfen.
Ich trete über die Schwelle und beginne, an der ersten Reihe von Fahrzeugen entlangzulaufen. Die LKW parken in sieben Reihen nebeneinander, die Kühlerhaube jeweils so dicht am Heck des Vordermannes, dass man sich gerade eben hindurchquetschen kann. Ich wünschte, ich hätte eine Taschenlampe. Die Deckenbeleuchtung dringt kaum in das Dunkel, sodass ich die Nummernschilder nur mit Mühe lesen kann.
Ich laufe die gesamte Länge des Decks Reihe für
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