Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
peinlich werden.«
»Ich bin nicht schussscheu, Sir. Niemand hat auf mich geschossen. «
Er hebt eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Wie dem auch sei, wir haben eine Verantwortung für den Schutz unserer ausländischen Gäste, und auch wenn ich persönlich absolutes Vertrauen in Sie setze, gibt es keine Möglichkeit, Ihre Belastbarkeit im Ernstfall zu testen, wenn der Terrorist
Abdul aus dem Hinterhalt auf den israelischen Botschafter schießt.« Um diesen Punkt zu unterstreichen, tippt er mehrmals auf den Aktenordner.
»Die wichtigste Aufgabe meines Jobs ist es, mit Personal und Prioritäten zu jonglieren. Es ist eine undankbare Tätigkeit, aber ich verlange auch gar kein Lob und keine Orden. Ich bin schlicht ein bescheidener Diener der Öffentlichkeit.« Seine Brust schwillt. »Wir wollen Sie nicht verlieren, Detective Constable Barba. Wir brauchen bei der Metropolitan Police mehr Frauen wie Sie, und deshalb freut es mich, Ihnen eine Position im Bereich der Nachwuchsrekrutierung und Neueinstellung anzubieten. Wir müssen mehr jungen Frauen Mut machen, zur Polizei zu gehen, vor allem aus minoritären Bevölkerungsgruppen. Dabei können Sie ein Vorbild sein.«
Nebel scheint meine Sicht zu trüben. Er ist aufgestanden und erneut ans Fenster getreten, wo er sich wieder über sein Fernrohr beugt.
»Was für ein unglaublicher Schwachkopf!«, brüllt er und schüttelt den Kopf.
Er wendet sich wieder mir zu und pflanzt sein Hinterteil auf die Schreibtischkante. Hinter ihm hängt ein braunstichiges Schwarzweißfoto an der Wand, eine berühmte Aufnahme der Bow Street Runner, der ersten Polizeieinheit Londons mit Detectives in Zivil.
»Man erwartet große Dinge von Ihnen, Detective Constable Barba.«
»Bei allem Respekt, Sir, ich bin nicht schussscheu. Ich bin fitter denn je. Ich laufe die Meile in unter viereinhalb Minuten. Ich bin ein besserer Schütze als jeder andere Beamte beim Personenschutz für das Diplomatische Corps. Meine defensiven Fahrkünste bei hoher Geschwindigkeit sind exzellent. Ich bin dieselbe Polizistin wie früher – «
»Ja, ja, Sie sind überaus fähig, das weiß ich genau, aber die Entscheidung ist gefallen. Es liegt nicht in meiner Hand. Sie
werden sich am Montagmorgen beim Police Recruitment Center in Hendon melden.«
Er öffnet seine Bürotür und wartet, dass ich gehe. »Sie sind nach wie vor ein wichtiges Mitglied unseres Teams, Ali. Wir sind froh, dass Sie wieder da sind.«
Der Fluss meiner Worte ist ausgetrocknet. Ich weiß, dass ich ihm widersprechen oder mit der Faust auf seinen Schreibtisch schlagen und eine Neubewertung meines Falles verlangen sollte. Stattdessen marschiere ich matt aus der Tür, die hinter mir ins Schloss fällt.
Draußen schlendere ich über die Victoria Street. Ich frage mich, ob der Chief Superintendent mich beobachtet. Ich bin versucht, mich zu seinem Fenster umzudrehen und ihm den Stinkefinger zu zeigen.
Aber das tue ich natürlich nicht. Ich bin einfach zu höflich. Das ist mein Problem. Ich schüchtere niemanden ein, dränge keinen an die Wand. Ich rede nicht in dummen Redensarten aus dem Sport, klopfe nicht auf Schultern und habe kein wabbeliges Ding zwischen den Beinen. Leider ist es auch nicht so, dass ich hervorstechende weibliche Waffen habe, auf die ich zurückgreifen könnte, wie zum Beispiel einen Mörder-Ausschnitt oder einen J-Lo-Hintern. Die einzigen Qualitäten, die ich mitbringe, sind mein Geschlecht und meine ethnische Glaubwürdigkeit. Etwas anderes will die Metropolitan Police nicht von mir.
Ich bin 29 Jahre alt und glaube immer noch, dass ich in meinem Leben etwas Bemerkenswertes leisten kann. Ich bin anders, einzigartig, unvergleichlich. Ich habe nicht Cates leuchtende Schönheit oder ihre grenzenlose Traurigkeit, nicht ihr musikalisches Lachen oder die Gabe, allen Männern das Gefühl zu vermitteln, sie seien Krieger. Aber ich verfüge über Weisheit und stählerne Entschlossenheit.
Mit sechzehn wollte ich olympisches Gold gewinnen. Jetzt will ich, dass meine Existenz etwas bewirkt. Vielleicht wird es meine bemerkenswerte Tat sein, mich zu verlieben. Ich werde
das Herz eines anderen Menschen erforschen. Das ist bestimmt Herausforderung genug. Cate fand das jedenfalls immer.
Wenn ich nachdenken muss, laufe ich. Und wenn ich vergessen will, laufe ich auch. Laufen kann meinen Kopf von sämtlichen Gedanken befreien oder sie wie unter einer Lupe vergrößern, die alles jenseits der Linse schrumpfen lässt. Wenn ich so laufe,
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