Todeskette
vielleicht nicht ansieht«, erwiderte der ehemalige Journalist.
»Ich wollte sie auf andere Gedanken bringen und habe sie gefragt, wie oft sie in London ist. Wir beide verstehen uns recht gut.«
»Reden Sie weiter mit ihr. Sie braucht das.«
Lavinia kam mit Snape im Schlepptau in die Eingangshalle zurück und steuerte auf den Aufzug zu, während Tweed und Paula ins Wohnzimmer gingen. Der einzige Mensch in dem großen Raum war Marshal Main, der in seinem schwarzen Anzug ruhelos auf und ab ging. Auf einem runden Tisch vor dem Fenster standen ein Eiskübel mit einer Flasche Champagner und ein halb leer getrunkenes Glas.
Seltsames Getränk, wenn jemand im Haus gestorben ist, dachte Tweed und begann mit seiner Untersuchung des Verbrechens.
»Mr. Main, wer hat die Tote entdeckt?«
»Sie reden wohl nicht lange um den heißen Brei herum«, brummte Main. Er nahm das Glas mit dem Champagner vom Tisch, bot seinen Gästen zwei Sessel an und ließ sich selbst in einen weiteren Sessel sinken.
»Ich brauche diese kleine Erfrischung«, entschuldigte er sich. »Es mag Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommen, dass ich ausgerechnet Champagner trinke, aber Bella hätte sicher nichts dagegen gehabt. Sie hat sich in Notsituationen nie darum geschert, was die Leute von ihr denken könnten. Darf ich Ihnen auch etwas anbieten? Vielleicht eine Tasse Kaffee?«
»Ja, bitte«, sagte Tweed. »Und für Miss Grey ebenfalls, vermute ich.«
»Dann bringe ich wohl besser gleich eine ganze Kanne«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Tweed drehte sich um und sah, dass Lavinia soeben ins Zimmer getreten war. Sie machte ein ernstes Gesicht.
»Sie trinken den Kaffee am liebsten schwarz, wenn ich mich richtig erinnere«, sagte Marshal Main. »Schwarz wie die Sünde, haben Sie beim letzten Mal gesagt. Nun, jetzt wurde in diesem Haus die fürchterlichste Sünde begangen, die man sich nur vorstellen kann.« Er verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln und trank Paula zu.
»Wer hat denn nun die Tote entdeckt?«, wiederholte Tweed seine ursprüngliche Frage.
»Ich war das«, erwiderte Main. »So gegen acht Uhr abends hat Bella mich über die Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch gebeten, ihr um zehn Uhr die Auszüge von bestimmten wichtigen Konten zu bringen.«
»Und wie haben Sie ihr die Auszüge gebracht?«
»Was meinen Sie mit wie? In der blauen Mappe natürlich, die da drüben auf dem Tisch liegt. Sie sind noch immer drin.«
»Was haben Sie gesehen, als Sie Bellas Arbeitszimmer betraten?«
»Ich bin fürchterlich erschrocken, das gebe ich ganz offen zu. Die Schreibtischlampe brannte, sodass ich genau sehen konnte, wie schrecklich man Bella zugerichtet hatte. Und dieses grässliche Ding um ihren Hals und das viele Blut… Es lief aus der Wunde auf ihre Brust…«
Er trank sein Glas in einem Zug leer und holte tief Luft.
»Haben Sie tatsächlich gesehen, wie das Blut aus der Wunde lief?«, fragte Tweed eindringlich. »Das ist sehr wichtig für die Bestimmung des Todeszeitpunkts. Wenn die Wunde wirklich noch geblutet hat, dann kann die Tat nicht allzu lange her gewesen sein, als Sie das Zimmer betraten. Wann genau war das?«
»Wie ich schon gesagt habe: Um zehn. Bella legte großen Wert auf Pünktlichkeit. Deshalb habe ich auch auf meine Armbanduhr gesehen, bevor ich ihr Arbeitszimmer betreten haben. Es war Punkt zehn.«
Lavinia kam zurück mit einem silbernen Tablett, auf dem eine Kaffeekanne und zwei Tassen standen. Tweed sah ihr direkt ins Gesicht.
»Wer hat die Tote entdeckt?«, fragte er.
»Das war Marshal .«
Lavinia warf Main einen schrägen Blick zu, als sei sie erstaunt darüber, dass dieser das noch nicht erzählt hatte. Tweed fand es ein wenig seltsam, dass sie »Marshal « gesagt hatte und nicht »mein Vater«, aber er sagte nichts und nahm freundlich lächelnd eine Tasse von dem Tablett. Nachdem Lavinia das Zimmer wieder verlassen hatte, wandte Marshal Main sich an Tweed.
»Sie glauben mir wohl nicht?«, fragte er.
»Ich überprüfe jede Aussage, das gehört zu meinem Job. Auf diese Weise finde ich heraus, wenn jemand die Unwahrheit sagt.« Abrupt wechselte Tweed das Thema, und Paula musste innerlich grinsen, weil das eine seiner altbewährten Verhörtechniken war. Auf diese Weise hatte er schon die hartnäckigsten Zeugen geknackt.
»Soviel ich weiß, war Bella die Chefin der Main Chance Bank. Wer wird eigentlich ihr Nachfolger?«
Marshal setzte sich gerade hin. »Nun, ich bin der Geschäftsführer.«
»Einer von zwei
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